Einleitung
Wiederholt konnten wir darauf hinweisen, daß Hieronymus in seinem Kampf gegen ein Afterchristentum besonders scharf gegen einen größeren Kreis minderwertiger Kleriker vorging. Er hatte mit seinem Schuß ins Schwarze getroffen. Wer sich irgendwie gemeint fühlte, machte seinem Ärger Luft, und es waren deren nicht wenige. Dies bereitet Hieronymus eine gewisse Beruhigung; denn das Verhalten der Angegriffenen bedeutet seine Rechtfertigung. Er gibt ihnen den Rat, das Beste zu tun, was in solcher Lage möglich ist, sich nicht sehen zu lassen und zu schweigen.
Es ist eigenartig, wie wenig Spaß durchweg die Hieronymusbiographen verstehen, Cavallera eingeschlossen, indem sie sich in sittlicher Entrüstung über den Briefschreiber auslassen und den armen Onasus bedauern. 1 Dabei hat Onasus aus Segesta — mit Absicht ist diese in Sizilien, Pannonien und Ligurien vorkommende Örtlichkeit gewählt — gar nicht existiert. Er ist eine fingierte typische Persönlichkeit. Der vorliegende Brief ist nichts anderes als ein satirisches Zeitgemälde; und den Rock zog sich nur an, wem er paßte. Wiederholt betont Hieronymus in anderen Briefen, daß er keine Namen nenne, damit man nicht glaube, er schreibe eine Satire. 2 Hier hat er einen Namen genannt; also haben wir eine Satire vor uns, wie er ja selbst im Briefe betont. 3 Natürlich verfolgt er den Zweck, auch auf diesem Wege die Irrenden auf den besseren Weg zu führen. Über den pädagogischen Wert dieser Methode kann man allerdings verschiedener Meinung sein.
Der Brief fällt in die Zeit seines römischen Aufenthaltes und naturgemäß an dessen Ende, 4 also etwa S. b100 384. Cavallera läßt ihn wegen verschiedener charakteristischer Ausdrücke, die sich auch im Brief an Eustochium (384) finden, bald nach diesem Briefe geschrieben sein. 5
Vgl. Zöckler, Hieronymus. Gotha. 1865, 139; Gr. I 281 f.; Cav. I 115. ↩
Vgl. ep. 22, 32 ad Eustoch. und ep. 125, 5 ad Rusticum (BKV II. Reihe XVI 103. 219 f.). ↩
Ep. 40, 2. ↩
Pronberger (33 f.) ist im Recht, wenn er Rauschens Versuch, den Brief 383 anzusetzen, abweist. ↩
Vgl. ep. 40, 2 mit ep. 22, 27 (imitantur noctuas et bubones). ↩
