Siebenter Artikel. Über das Disputieren mit Ungläubigen.
a) Es scheint, man solle gar nicht mit Ungläubigen disputieren. Denn: I. 2. Tim. 2. heißt es: „Streite nicht mit Worten; das hilft nichts; es trägt nur bei zum Verderben der Hörer.“ II. Im kanonischen Rechte (lex Martiani August.) heißt es: „Es beleidigt derjenige das Urteil des frommen Konzils, der das, was einmal beschlossen ist, nun wieder in Zweifel ziehen und öffentlich darüber disputieren will.“ Was aber zum Glauben gehört, ist Alles in Konzilien entschieden worden. III. Das Disputieren stützt sich auf Beweise. Diese aber haben zum Zweck, einer zweifelhaften Sache Glauben zu verschaffen. Disputieren über den Glauben also heißt ihn in Zweifel ziehen. Auf der anderen Seite heißt es Act. 9.: „Saulus ward stark und verwirrte die Juden,“… „er sprach mit den Heiden und disputierte mit den Griechen.“
b) Ich antworte, rücksichtlich des Disputierens über Glaubenssachen sei zweierlei zu beachten: 1. Die Absicht dessen, der disputiert; denn wenn er infolge von Glaubenszweifeln disputiert und deshalb wie mit Beweisgründen den Glauben klar machen will, sündigt er; disputiert er aber, um die Irrtümer zu widerlegen oder um sich darin zu üben, so ist dies löblich; — 2. die Beschaffenheit der Zuhörer; denn sind diese weise und im Glauben fest, so besteht keine Gefahr; sind sie wenig unterrichtet oder zweifeln sie am Glauben, so muß man unterscheiden. Sind nämlich diese Art Zuhörer von den Heiden oder Juden oder von Ketzern belästigt, die in ihnen den Glauben verderben wollen, so muß man öffentlich disputieren über den Glauben, vorausgesetzt daß geeignete Männer dafür gefunden werden; sonst wäre das Schweigen derer, die dem Irrtum widerstehen sollten, eine Kräftigung des Irrtums. Deshalb sagt Gregor (2. pastor. 4.): „Wie unvorsichtiges Sprechen zum Irrtum zieht; so beläßt unüberlegtes Schweigen jene, die unterrichtet werden konnten, im Irrtum.“ Besteht aber keine solche Gelegenheit für einfache Personen, in dem Irrtum zu fallen, so ist es gefahrvoll, über den Glauben öffentlich zu disputieren; denn deren Glauben ist fester, wenn sie nichts Verschiedenes hören von dem, was sie glauben. Es nützt ihnen also nichts, wenn sie das hören, was die Ungläubigen dem Glauben entgegenstellen.
c) I. Der Apostel verwirft das ungeordnete Disputieren; wo man mehr mit Worten streiten, als im Glauben fester werden will. II. Da ist öffentliches Disputieren über Glaubenspunkte verboten in der Weise, als ob selbige noch zweifelhaft wären; nicht, um den Glauben zu kräftigen. III. Man soll nicht als ob man zweifle disputieren, sondern um den Glauben zu offenbaren und die Irrtümer zu widerlegen; nach 1. Petr. 3. und Tit. 1, 9.
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