Dritter Artikel. Die weltliche oder Menschenfurcht ist immer schlecht.
a.) Das scheint nicht. Denn: I. Die Menschenfurcht schließt ein die Ehrfurcht vor den Menschen. Luk. 18. aber werden jene getadelt, welche die Menschen nicht fürchten: „Der ungerechte Richter fürchtete weder Gott noch die Menschen.“ II. Die Menschenfurcht erstreckt sich auf die Strafen von seiten der weltlichen Gerichtsbarkeit; diese aber führen zum Guten, nach Röm. 13.: „Du willst keine Furcht vor der Gewalt? Thue Gutes und Lob wirst du von ihr erhalten.“ III. Es ist rein der Natur des Menschen entsprechend, den Schaden am eigenen Leibe und an seinem eigenen Besitze zu fürchten. Also ist solche Furcht nicht immer schlecht. Auf der anderen Seite sagt der Herr bei Matth. 10.: „Fürchtet nicht jene, die den Leib töten.“ Nur aber Schlechtes wird von seiten Gottes verboten.
b) Ich antworte, der Wesenscharakter aller moralischen Zustände hänge vom Gegenstande ab, Der dem Begehren eigens entsprechende Gegenstand nun ist das Endgut. Also vom eigens entsprechenden Zwecke erhalten die Bewegungen des begehrenden Teiles ihren Wesenscharakter. Wer z. B. die Geldgier als Liebe zur Arbeit bezeichnete, weil wegen der Geldgier die Menschen arbeiten, würde nicht recht bezeichnen. Denn die Geldgierigen suchen nicht als ihren Zweck die Arbeit, sondern nur als Zweckdienliches. Als Zweck betrachten sie den Reichtum, so daß mit Recht das Verlangen nach Reichtum Geldgier genannt wird und dies ist ein Übel. Demgemäß also wird Weltliebe genannt im eigentlichen Sinne jene, kraft deren jemand sich auf die Welt stützt als auf den letzten Endzweck; und so ist diese Liebe immer schlecht. Die Furcht aber entsteht aus der Liebe. Denn zu verlieren fürchtet der Mensch das, was er liebt. Die Menschen- oder weltliche Furcht also, die aus der Liebe zur Welt entsteht, ist immer schlecht.
c) I. Man kann die Menschen ehren, insofern in ihnen etwas von Gott Kommendes ist; nämlich Gnade oder Tugend oder wenigstens das Bild Gottes. Wer so die Menschen nicht ehrt, wird getadelt. Man kann aber auch die Menschen ehren oder fürchten, insoweit sie Gott entgegen sind; und so werden jene gelobt, die solche Menschen nicht ehren, nach Ekkli. 48.: In seinen Tagen fürchtete er nicht den Fürsten.“ II. Straft die weltliche Gerichtsbarkeit, um vom Bösen zurückzuziehen, so ist sie das Werkzeug Gottes, nach Röm. 13, 4. Danach also die menschliche Gewalt fürchten, gehört zur knechtischen oder anfänglichen Furcht. III. Daß der Mensch das Übel an seinem Leibe und Besitze flieht, das ist natürlich; daß er aber um dessentwillen von der Gerechtigkeit abweicht, das ist gegen die natürliche Vernunft: „Zu den Werken der Sünde soll sich niemand zwingen lassen,“ sagt Aristoteles (3 Ethic. 1.); „denn schlimmer ist es, dergleichen Sünden zu begehen wie irgend welche Strafen zu leiden.“
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