Zehnter Artikel. Wir müssen die Engel aus heiliger Liebe lieben.
a) Das ist nicht notwendig. Denn: I. „Doppelt ist die Zuneigung der heiligen Liebe: zu Gott und zu Nächsten,“ sagt Augustin. (1. de doct. christ. 26.) Zu keiner von beiden gehört der Engel. II. Die Tiere und wir sind einbegriffen in ein und derselben „Art“. Also stehen sie uns näher wie die Engel. Mit den Tieren aber verbindet uns keine gemeinschaftliche Liebe; also auch nicht mit den Engeln. III. Zusammenleben ist am meisten der Freundschaft eigen. (8 Ethic. 5.) Mit den Engeln aber verkehren wir nicht. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (l. c. 30.): „Mit Recht wird als Nächster bezeichnet jener, der uns Wohlthaten spendet oder dem wir Wohlthaten spenden.“ Also ist offenbar, daß unter dem „Nächsten“, den wir lieben sollen, auch die heiligen Engel verstanden sind, von denen wir so viele Wohlthaten empfangen.
b) Ich antworte; da die Engel mit uns an der ewigen Seligkeit Anteil haben, welche die Grundlage der heiligen Liebe ist, so erstreckt sich die heilige Liebe auch auf die Engel, nach Matth. 22.: „In der Auferstehung werden die Menschen sein wie die Engel.“
c) I. Der Nächste wird nicht nur auf Grund der nämlichen Gattung geliebt, sondern weit mehr auf Grund der gemeinschaftlichen Seligkeit. II. Nach der sinnlichen Natur sind wir nicht fähig, an der ewigen Seligkeit teilzunehmen; sondern nur nach der vernünftigen, die uns gemeinsam ist mit den Engeln. III. Dem vernünftigen Geiste nach, in heiliger Betrachtung verkehren wir mit den Engeln; unvollkommenerweise hier, vollkommen dort in der Heimat.
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