Erster Artikel. Die einfache Unzucht, der Ehebruch, die Blutschande, die Verführung, die Entführung und die Sünde gegen die Natur sind die Gattungen der Wollust.
a) Dies ist nicht richtig. Denn: I. Die Verschiedenheit im materiellen Gegenstande verursacht keinen Unterschied in der Gattung. Jene Einteilung aber berücksichtigt nur die Verschiedenheit im Gegenstande, nämlich in der Lage und Beschaffenheit der Person, mit welcher gesündigt wird. II. Die Gattungen in einem Laster werden nicht unterschieden durch das, was zu einem anderen Laster gehört. Der Ehebruch aber ist von der einfachen Unzucht nur verschieden darin, daß jemand zu einer Frau eingeht, die einem anderen gehört; und somit ist er eine Sünde der Ungerechtigkeit und nicht eine specielle Sünde der Wollust. III. Es geschieht auch, daß jemand mit einer durch Gelübde Gott geweihten Jungfrau sündigt, die also ebenfalls einem anderen gehört. Also müßte da ebenso eine besondere Gattung sein. IV. Der Gatte kann auch seine Gattin ungebührend gebrauchen. Also ist da wieder eine eigene Gattung. V. 2. Kor. 12. heißt es: „Damit mich nicht, wenn ich wiederkomme, Gott von neuem demütige bei euch und ich viele beweinen muß, die vorher gesündigt haben und keine Buße thaten wegen der Unreinheit, Unkeuschheit und Schamlosigkeit, die sie verübten.“ Also fehlen oben zwei Gattungen. VI. Die Wollust wird Gal. 5, 19. neben den oben erwähnten, alsgleichberechtigt also, genannt: „Offenbar sind die Werke des Fleisches, die da sind Unzucht, Schamlosigkeit, Wollust.“ Auf der anderen Seite stammt diese Aufzählung aus Decret. 36. Qq. 1. in append. Grat. ad cap. Lex illa.
b) Ich antworte, die Sünde der Wollust bestehe darin, daß jemand nicht gemäß der Richtschnur der Vernunft sich des Geschlechtlichen bedient. Dies geschieht nun 1. insoweit der Gegenstand, dessen er sich bedient, nicht gebührend ist; und 2. insoweit er sich des gebührenden Gegenstandes nicht in der rechten Weise bedient. Weil aber ein Umstand als solcher nicht dem moralischen Akte die Wesensgattung giebt, sondern diese letztere sich vom Gegenstande als dem maßgebenden Grunde ableitet; — so müssen die Gattungen der Wollust vom Gegenstande aus bestimmt werden. Dieser kann nun 1. dem Zwecke der gefchlechtlichen Thätigkeit widerstreiten
a) insofern derselbe die Zeugung ist; und so besteht die Sünde gegen die Natur, welche sich in allen jenen geschlechtlichen Thätigkeiten findet, von denen eine Zeugung nicht ausgehen kann; —
b) infofern die gebührende Erziehung und Entwicklung des erzeugten Kindes gehindert wird; und so besteht die einfache Unzucht, nämlich zwischen zwei unverheirateten. Dann kann, 2. der Gegenstand der geschlechtlichen Thätigkeit der rechten Vernunft widerstreiten mit Rücksicht auf andere Menschen; und zwar
a) weil der betreffenden weiblichen Person nicht die gebührende Ehre erwiesen wird; und so ist die Blutschande, welche mit verwandten Personen geübt wird, sei dies Blutverwandtschaft oder solche Verwandtschaft, die in der Ehe mit einer Person begründet ist; —
b) weil die weibliche Person einem anderen zugehört; und so ist Ehebruch, wenn sie Gattin eines anderen ist; —
c) Verführung, wenn sie in der Gewalt des Vaters ist und in beiden Fällen keine Gewalt vorliegt; —
d) Entführung, wenn Gewalt angethan wird. Diese Unterscheidungen in den Gattungen der Wollust werden aber mehr von seiten der Frau her gegeben wie von seiten des Mannes her; weil die Frau sich in der geschlechtlichen Thätigkeit als bestimmbares Element verhält, der Mann als thätiger Teil. Derartige Gattungen also werden voneinander unterschieden gemäß dem bestimmbaren Gegenstande.
c) I. Diefe Verschiedenheit im bestimmbaren Gegenstande ist innerlich verbunden mit den verschiedenen formalen Gesichtspunkten, unter denen sie der rechten Vernunft widerstreitet und von da her kommt das formal bestimmende Element. II. Der Ehebruch hat die Häßlichkeit der Wollust und der Ungerechtigkeit und ist eben deshalb in sfeinem Wesen schwerer; weil da der Begierde insoweit der Zügel gelassen wird, daß sie bis zur Ungerechtigkeit führt. III. Die Verletzung einer gottgeweihten Jungfrau ist ein Ehebruch im geistigen Sinne; denn sie hat mit Gott gleichsam eine geistige Ehe geschlossen. Und so lassen sich auch die anderen Arten von Sakrileg auf andere Arten von Wollust zurückführen. IV. Die Sünden mit der eigenen Ehegattin vollziehen sich gemäß anderen Umständen, die keine Änderung des wesentlichen Gattungscharakters herbeiführen.V. Nach der Glosse steht da „Unreinigkeit“ für die Sünde gegen die Natur. Die „Schamlosigkeit“ aber, welche vom Manne gegenüber einem Mädchen verübt wird, läßt sich auf die Verführung zurückführen; oder es sind dieses Thätigkeiten, welche mit den geschlechtlichen verwandt sind, wie Küsse etc. VI. Wollust wird an dieser Stelle nach der Glosse genommen für alles Überwallende.
