Elfter Artikel. Die Sünde gegen die Natur ist eine besondere Gattung in der Wollust.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Gal. 5, 9. werden unter den Fleischessünden die Gattungen der Wollust aufgezählt. Weder da aber noch 2. Kor. 12. geschieht Erwähnung der Sünde gegen die Natur. II. Die Wollust steht im Gegensatze zur Tugend und ist somit in der Bosheit enthalten. Die Sünde gegen die Natur aber ist nicht in der Bosheit enthalten, sondern nach Aristoteles (7 Ethic. 5.) besteht sie in Vertierung. Also ist sie nicht eine Gattung in der Wollust. III. Die Wollust hat Thätigkeiten zum Gegenstande, die zur geschlechtlichen Erzeugung dienen. Die Sünde gegen die Natur aber beschäftigt sich mit Thätigkeiten, aus denen keine Zeugung folgen kann. Auf der anderen Seite sagt die Glosse zu 2. Kor. 12, 21.: „Unreinheit will heißen Wollust gegen die Natur.“
b) Ich antworte, in der Sünde gegen die Natur finde sich eine eigene besondere Häßlichkeit; nicht nur nämlich daß sie der rechten, gesunden Vernunft widerstreitet, sondern sie ist der natürlichen Ordnung des geschlechtlichen Aktes selber entgegen, welche zum Ziele hat die Zeugung und somit die Fortpflanzung der menschlichen Natur. Das geschieht entweder in der Weise, daß ohne geschlechtliches Zusammenleben behufs der geschlechtlichen Ergötzlichkeit die Befleckung hervorgerufen wird; dies ist die Sünde der Weichlichkeit oder molities, die auch „Unreinheit“ heißt; — oder 2. wenn jemand mit einem nicht der nämlichen Gattung angehörigen Wesen geschlechtlich zusammenlebt, was „Vertierung“ genannt wird; — oder 3. wenn man mit einer Person des gleichen Geschlechts Geschlechtliches thut, der Mann mit dem Manne nämlich oder die Frau mit der Frau (Röm. 1.), was man als „die sodomitische Sünde“ bezeichnet; — oder 4. wenn die natürliche Weise des geschlechtlichen Zusammenlebens nicht eingehalten wird, sei es mit Rücksicht auf das dazu von Natur bestimmte Glied, sei es mit Rücksicht auf sonstige ungeheuerliche und tierische Weisen, zusammenzuleben.
c) I. Da werden die Gattungen der Wollust aufgezählt, welche der menschlichen Natur nicht widerstreiten; und deshalb ist die Sünde gegen die Natur beiseite gelassen. II. Die Vertierung betrifft denselben Gegenstand wie die Bosheit der Wollust; fügt aber noch ein gewisses Übermaß hinzu. III. Der wollüstige richtet seine Absicht nicht auf die menschliche Zeugung, sondern auf das Ergötzen, was aus geschlechtlichen Thätigkeiten folgt;mag auch gar keine Zeugung damit verbunden sein. Und dies Letztere sucht in besonderer Weise, so nämlich, daß keine Zeugung folgen kann, die Sünde gegen die Natur.
