29.
Sieh, o Mensch, die Gnade Christi gegen dich! Noch treibst du in der Flut des Erdenlebens, und schon erfreust du dich des Besitzes im Himmel. Dort nun soll dein Herz sein, wo dein Besitz ist. Das ist die Ruhe, die den Gerechten geschuldet, den Unwürdigen S. 409 verweigert wird. Darum spricht der Herr: „Wie ich geschworen in meinem Zorne: nicht sollen sie eingehen in meine Ruhe“1. Die nämlich, welche „die Wege des Herrn nicht kennen“2, werden in die Ruhe des Herrn nicht eingehen. Wer aber „den guten Kampf gekämpft und den Lauf vollendet hat“3, dem gilt die Einladung: „Kehre heim in deine Ruhe!“ Eine selige Ruhe, der Dinge der Welt loszuwerden und in jener geheimnisvollen himmlischen Gemeinschaft auszuruhen, die über die Welt erhaben ist! Das ist die Ruhe, welcher der Prophet entgegeneilte mit dem Rufe: „Wer gibt mir Flügel gleich der Taube: und ich will fliegen und Ruhe finden?“4 Das erkennt der Heilige als seine Ruhe; zur Heimkehr zu dieser Ruhe lädt er seine Seele ein. So war denn seine Seele in ihrer Ruhe; dahin soll man, wie er mahnt, zurückkehren. Das ist die große Sabbatruhe, daß jeder Heilige, über die Sinnenwelt erhaben, sein ganzes Streben nach jenem unsichtbaren, geheimnisvollen Ziele richte und Gott anhange. Das ist jene Sabbatruhe, in der Gott ausruhte von allen Werken dieser Welt5.
Ps. 94, 11 [Hebr. Ps. 95, 11]. ↩
Ps. 94, 11 [Hebr. Ps. 95, 11]. ↩
2 Tim. 4, 7. ↩
Ps. 54, 7 [Hebr. Ps. 55, 7]. ↩
Vgl. Gen. 2, 2. Zum volleren Verständnis der obigen Ausführungen sei hervorgehoben, daß Ambr. unter dem Gesichtspunkt der ‚Ruhe‛ (‚Sabbatruhe‛ usw.) die ganze Paradiesesseligkeit (im Unterschied von der Seligkeit des Himmelreiches) sowohl im soteriologischen wie eschatologischen Sinn zusammenzufassen pflegt. Vgl. All. Einl., Bd. I S. IXL ff. CII ff. ↩
