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Über die Seele. (BKV)
18. Cap. Die Ideenlehre Platos und verwandte Vorstellungen der Häretiker. Die Verschiedenheit zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Intellekt bedingt keine Doppelseele im Menschen. Der Intellekt, der allerdings höher steht als die sinnliche Wahrnehmung, ist nur eine höhere Fähigkeit desselben Prinzips und steht nur deshalb höher, weil die Objekte seiner Thätigkeit höher stehen.
Ich wende mich nun zu dem intellektuellen Teile der Seele, wie ihn Plato vom Körperlichen getrennt den Häretikern angepriesen hat, nachdem er kurz vor seinem Tode noch Kenntnis davon erlangt hatte. Er sagt nämlich im Phaedon: „Was sodann die Erlangung der Weisheit selbst angeht, so frage ich, ist der Körper ein Hindernis derselben oder nicht, wenn ihn jemand beim Untersuchen zu Hilfe nimmt? Ich meine etwa so: Haben Gesicht und Gehör eine gewisse Realität für den Menschen oder nicht? Oder wiederholen es uns nicht sogar die Dichter, dass wir nicht mit Gewissheit sehen und hören?”1 — Er dachte hierbei nämlich an den Vers des Komikers Epicharmus: „Der Geist sieht, der Geist hört; alles Übrige ist stumm und taub.” Darum bemerkt er wiederum: „Derjenige gelange zu einer höhern Erkenntnis, der nur mit dem Geiste erkenne und weder dem Sehvermögen den Vorzug gebe, noch sonst irgend einen Sinn zum Geiste hinzuziehe, sondern indem er das reine Nachdenken an und für sich anwende, um jegliches reine Sein zu erfassen, sich so viel wie möglich losmache von den Augen und Ohren, ja, ich möchte sagen, vom ganzen Körper, als welcher in Verwirrung setzt und der Seele nicht gestattet, Wahrheit und Einsicht zu gewinnen, wenn er dabei ist.”2
Wir sehen also, wie gegen die körperlichen Sinne eine andere, angeblich viel bessere Gabe und Anlage der Seele vorgeschoben wird, nämlich die Seelenkräfte, welche die Erkenntnis der Wahrheiten vermitteln, deren Gegenstände nicht vor uns liegen, nicht den körperlichen Sinnen unterliegen, sondern sich weitab vom gewöhnlichen Wissen im Verborgenen, in höheren Sphären, bei Gott selbst befinden. Plato lehrt nämlich, es gebe gewisse unsichtbare, unkörperliche, überweltliche, göttliche und ewige Wesenheiten, die er Ideen nennt, auf lateinisch formae, die Urbilder und Ursachen dieser natürlichen, greifbaren und den körperlichen Sinnen unterworfenen Dinge; sie seien die Realitäten, letztere aber nur die Abbilder davon.
Treten da nicht schon die Keime des Gnostizismus und Valentinianismus zu Tage? Von daher holen sie so begierig den Unterschied zwischen körperlichen Sinnen und geistigen Kräften her, den sie auch in der Parabel von den zehn Jungfrauen wiederfinden. Die fünf thörichten nämlich sollen die körperlichen Sinne vorstellen, thöricht, weil sie sich leicht täuschen lassen; die klugen aber sollen das Merkmal der intellektuellen Kräfte an sich tragen, weil sie an jene geheimnisvolle, höhere, im Pleroma befindliche Wirklichkeit, die Geheimnisse der häretischen Ideen, S. 315 hinanreichen, nämlich ihre Äonen und Genealogien. Daher statuieren sie auch einen Unterschied in den Wahrnehmungen für die geistigen Menschen einerseits, die von dem bei ihnen sogenannten geistigen Samen herkommen, und für die bloss sinnlichen andererseits, die von tierischem Samen sind, weil er das Geistige durchaus nicht fasst. Jenem gehöre das Unsichtbare, diesem hingegen das Sichtbare, Niedere und Zeitliche an, was, in blossen Bildern bestehend, durch die Sinneswahrnehmung erfasst wird.
Das also sind die Gründe, warum wir zuvor den Nachweis geliefert haben, das der Animus nichts anderes sei als eine Beigabe und Ausrüstung der Seele, dass ihr Odem nichts weiter sei, als was sie selbst ist durch den Hauch, und dass das übrige, was Gott oder auch der Teufel hinterher dazugethan hat, für blossen Zuwachs zu halten sei. Auch jetzt geben wir in bezug auf den Unterschied des Sinnlichen und Intellektuellen nichts weiter zu, als die Verschiedenheit der Objekte, der körperlichen und der geistigen, der sichtbaren und der unsichtbaren, der offenbaren und der geheimen, dass die einen der Sinneswahrnehmung, die anderen dem Intellekt angehören, während doch sowohl jene als diese für abhängig von der Seele angesehen werden, welche das Körperliche durch den Körper sinnlich wahrnimmt, wie sie vermittelst des Animus das Unkörperliche erkennt, unbeschadet dessen, dass sie beim Erkennen auch fühlt.
Denn ist nicht auch das Fühlen ein Erkennen und das Erkennen ein Fühlen? Oder was sollte die Sinneswahrnehmung denn sein, wenn nicht ein Erkennen des Gegenstandes, der sinnlich wahrgenommen wird? Was die Erkenntnis, wenn nicht ein Wahrnehmen der Sache, die erkannt wird? Woher sind denn jene Qualen, welche die Einfalt martern und die Wahrheit unsicher machen? Wer wird mir einen Sinn geben, der nicht erkennt, was er wahrnimmt, oder eine Erkenntnis, die nicht wahrnimmt, was sie erkennt, und beweisen, dass das eine ohne das andere Macht habe? Wenn das Körperliche wahrgenommen, das Unkörperliche aber erkannt wird, dann sind eben die Objekte nur ihrer Art nach verschieden, nicht aber der Sitz des Sinnes und der Sitz der Erkenntnis, d. h. Seele und Animus.
Schliesslich, von wem wird denn das Körperliche wahrgenommen? Wenn von der Seele,3 dann ist sie folglich auch schon sinnlich und nicht schlechthin intellektuell; denn indem sie erkennt, nimmt sie auch sinnlich wahr, weil sie, wenn sie nicht wahrnimmt, auch nicht erkennt. Wenn die Seele nun aber das Körperliche wahrnimmt, dann ist auch der Intellekt eine nicht bloss sinnliche Potenz; denn indem er wahrnimmt, erkennt er auch, weil er, wenn er nicht erkennt, auch nicht wahrnimmt.
S. 316 Sodann, wer ist es, der das Unkörperliche erkennt? Ist es der Animus, wo bleibt die Seele? ist es die Seele, wo bleibt der Animus? Was von einander getrennt ist, das muss auch dann von einander gesondert bleiben, wenn es seine Obliegenheiten verrichtet. Man wird sich nun zwar vorstellen, Seele und Animus seien von einander getrennt, dann nämlich, wenn wir nicht wissen, dass wir etwas gesehen oder gehört haben, weil der Animus dann an einem andern Orte gewesen ist. Dann werde ich behaupten, nein, vielmehr die Seele selbst hat nichts gesehen oder gehört, weil sie anderswo war mit ihrer Kraft, d. i. mit dem Animus. Wird der Mensch blödsinnig, so wird die Seele blödsinnig; sie ist nicht etwa auf Reisen, sondern mit dem Animus leidend.
Im übrigen ist die Seele das erste, Ausschlag gebende. Womit ist das zu beweisen? Damit, dass, wenn die Seele den Menschen verlassen hat, auch kein Animus mehr in ihm zu finden ist. Mithin folgt letzterer ihr überall nach, da er nicht einmal beim letzten Ende ohne sie zurückbleibt. Da er ihr folgt und zu ihr gehört, so gehört der Intellekt der Seele an; denn der Animus, dem der Intellekt zugesprochen wird, folgt ihr. Mag dann auch der Intellekt mehr gelten als die sinnliche Wahrnehmung und ein besserer Erforscher der Geheimnisse sein, wofern er nur seinerseits nichts weiter ist, als ein der Seele eigenes Vermögen, so gut wie die Sinneswahrnehmung auch.
Mir ist an der Sache nichts gelegen, als insofern der Intellekt aus dem Grunde über die Sinneswahrnehmung gestellt wird, damit sein Abstand von ihr um so grösser erscheine und ihm ein höherer Rang beigelegt werde. In diesem Falle müsste ich mit der Verschiedenheit auch seinen höhern Rang abweisen, indem ich sonst bis zur Annahme eines Gottes höherer Art gelangen würde. In betreff der Lehre von Gott jedoch führen wir den Kampf mit den Häretikern auf besonderem Gebiete. Für jetzt ist die Seele unser Thema und davon die Rede, dass man den Intellekt nicht listigerweise höher stellen darf. Denn wenn auch die Dinge, welche mittels der Erkenntnis erfasst werden, als geistige höher stehen, als die sinnlich wahrnehmbaren körperlichen, so ist das nur eine Höherstellung der Objekte, der erhabenen im Vergleich zu den niederen, nicht der Sinne im Vergleich zum Intellekt.
Warum sollte er denn den Sinnen vorgezogen werden, da letztere ihn zur Erkenntnis der Wirklichkeit vorbereiten? Denn wenn die Wirklichkeit durch die Bilder erfasst, d. h. das Unsichtbare mit Hilfe des Sichtbaren erkannt wird, eine Wahrheit, die uns der Apostel in den Worten vorlegt: „Das Unsichtbare an ihm wird von Erschaffung der Welt an aus seinen Werken erkennbar wahrgenommen”,4 und Plato den Häretikern in den S. 317 Worten: „Was erscheint, ist Bild der verborgenen Dinge, und diese Welt muss durchaus das Abbild irgend einer andern sein”,5 — dann ist ja gerade ersichtlich, dass der Intellekt die Sinne zu Führern, zu Bürgen und zum ersten Fundamente nimmt und man ohne sie zur Wahrheit nicht gelangen kann. Wie könnte er also mehr sein als das, wodurch er existiert, dessen er bedarf, dem er alles zu verdanken hat, was er erreicht? So gelangt man zu folgenden beiden Schlussfolgerungen: erstens der Intellekt ist nicht höher zu stellen als die Sinne; denn jedes Ding ist geringer als das, wodurch es besteht; zweitens er ist nicht von den Sinnen zu trennen; denn jedes Ding steht in Verbindung mit dem, wodurch es existiert.
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De Anima
XVIII. DE INTELLECTVALIBVS.
[1] Conuertor ad intellectualium partem, quemadmodum illam Plato a corporalibus separatam haereticis commendauerit agnitionem ante mortem consecutus. Ait enim in Phaedone: 'Quid tum erga ipsam prudentiae possessionem? Vtrumne impedimentum erit corpus, an non, si quis illud socium assumpserit in quaestionem? Tale quid dico: habetne ueritatem aliquam uisio et auditio hominibus? An non etiam poetae haec nobis semper obmussant, quod neque audiamus certum neque uideamus?' Meminerat scilicet et Epicharmi Comici: animus cernit, animus audit, reliqua surda et caeca sunt. [2] Itaque rursus illum ergo ait supersapere qui mente maxime sapiat, neque uisionem proponens neque ullum eiusmodi sensum attrahens animo, sed ipsa mente sincera utens in recogitando ad capiendum sincerum quodque rerum, si egressus potissimum ab oculis et auribus et, quod dicendum sit, a toto corpore ut turbante et non permittente animae possidere ueritatem atque prudentiam, quando communicat. [3] Videmus igitur aduersus sensus corporales aliam portendi paraturam ut multo idoniorem, uires scilicet animae, intellectum operantes eius ueritatis, cuius res non sint coram nec subiaceant corporalibus sensibus, sed absint longe a communi conscientia in arcano et in superioribus et apud ipsum deum. Vult enim Plato esse quasdam substantias inuisibiles incorporales supermundiales, diuinas et aeternas, quas appellat ideas, id est formas, exempla et causas naturalium istorum manifestorum et subiacentium corporalibus sensibus, et illas quidem esse ueritates, haec autem imagines earum. [4] Relucentne iam haeretica semina Gnosticorum et Valentinianorum? Hinc enim arripiunt differentiam corporalium sensuum et intellectualium uirium, quam etiam parabolae decem uirginum adtemperant, ut quinque stultae sensus corporales figurauerint, stultos uidelicet, quia deceptui faciles, sapientes autem intellectualium uirium notam expresserint, sapientium scilicet, quia contingentium ueritatem illam arcanam et supernam et apud pleroma constitutam, haereticarum idearum sacramenta; hoc enim sunt et aeones et genealogiae illorum. [5] Itaque et sensum diuidunt et intellectualibus quidem a spiritali suo semine, sensualibus uero ab animali, quia spiritalia nullo modo capiat; et illius quidem esse inuisibilia, huius uero uisibilia et humilia et temporalia, quae sensu conueniantur in imaginibus constituta. Ob haec ergo praestruximus neque animum aliud quid esse quam animae suggestum et structum, neque spiritum extraneum quid quam quod et ipsa per flatum, ceterum accessioni deputandum quod aut deus postea aut diabolus adspiraret. [6] Et nunc ad differentiam sensualium et intellectualium non aliud admittimus quam rerum diuersitates, corporalium et spiritalium, uisibilium et inuisibilium, publicatarum et arcanarum, quod illae sensui, istae intellectui attribuantur, apud animam tamen et istis et illis obsequio deputatis, quae perinde per corpus corporalia sentiat, quemadmodum per animum incorporalia intellegat, saluo eo, ut etiam sentiat, dum intellegit. [7] Non enim et sentire intellegere est et intellegere sentire est? Aut quid erit sensus, nisi eius rei quae sentitur intellectus? Quid erit intellectus, nisi eius rei quae intellegitur sensus? Vnde ista tormenta cruciandae simplicitatis et suspendendae ueritatis? Quis mihi exhibebit sensum non intellegentem quod sentit aut intellectum non sentientem quod intellegit, ut probet alterum sine altero posse? [8] Si corporalia quidem sentiuntur, incorporalia uero intelleguntur, rerum genera diuersa sunt, non domicilia sensus et intellectus, id est, non anima et animus. Denique a quo sentiuntur corporalia? Si ab animo, ergo iam et sensualis est animus, non tantum intellectualis, nam dum intellegit, sentit, quia si non sentit, nec intellegit; si uero ab anima corporalia sentiuntur, iam ergo et intellectualis est uis animae, non tantum sensualis, nam dum sentit, intellegit, quia si non intellegit, nec sentit. Proinde a quo intelleguntur incorporalia? Si ab animo, ubi erit anima? Si ab anima, ubi erit animus? Quae enim distant, abesse inuicem debent, cum suis muneribus operantur. [9] Putabis quidem abesse animum ab anima, si quando, nam ita effici, ut nesciamus uidisse quid uel audisse, quia alibi fuerit animus. Adeo contendam immo ipsam animam nec uidisse nec audisse, quia alibi fuerit cum sua ui, id est animo. Nam et cum dementit homo, anima dementit non peregrinante, sed conpatiente tunc animo ---- ceterum animae principaliter casus est. [10] Hoc unde firmatur? Quod anima digressa nec animus in homine inueniatur; ita illam ubique sequitur, a qua nec in fine subremanet. Cum uero sequitur et addicitur, perinde intellectus animae addicitur quam sequitur animus, cui addicitur intellectus. Sit nunc et potior sensu intellectus et potior cognitor sacramentorum, dummodo et ipse propria uis animae, quod et sensus. Nihil mea interest, nisi cum idcirco praefertur sensui intellectus, ut ex hoc quoque separatior habeatur quo potior affirmatur. Tunc mihi post differentiam etiam praelatio retundenda est peruentura quoque usque ad potioris dei persuasionem. [11] Sed de deo suo quoque campo experiemur cum haereticis. Nunc de anima titulus et de intellectu non insidiose praeferendo locus. Nam etsi potiora sunt quae intellectu attinguntur ut spiritalia quam quae sensu ut corporalia, rerum erit praelatio, sublimiorum scilicet aduersus humiliores, non intellectus aduersus sensum. Quomodo enim praeferatur sensui intellectus, a quo informatur ad cognitionem ueritatum? [12] Si enim ueritates per imagines apprehenduntur, id est inuisibilia per uisibilia noscuntur, quia et apostolus nobis scribit: inuisibilia enim eius a conditione mundi de factitamentis intellecta uisuntur, et Plato haereticis: facies occultorum ea quae apparent, et: necesse est omnino hunc mundum imaginem quandam esse alterius alicuius, ecquid tibi uidetur intellectus duce uti sensu et auctore et principali fundamento nec sine illo ueritates posse contingi? Quomodo ergo potior erit eo per quem est, quo eget, cui debet totum quod attingit? [13] Ita utrumque concluditur, neque praeferendum sensui intellectum (per quod enim quid constat, inferius ipso est) neque separandum a sensu (per quod enim quid est, cum ipso est).