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Über die Seele. (BKV)
57. Cap. Was von den angeblichen Beschwörungen von Abgestorbenen zu halten sei.
Hier zurückgehalten werden ist entweder etwas sehr Gutes wegen der Aori1 oder etwas sehr Schlimmes wegen der Biäothanati, um mich der Ausdrücke zu bedienen, welche bei den Urhebern dieser Meinungen, S. 373 den Magiern, in Gebrauch sind: Ostanes, Typhon, Dardanus, Damigeron, Nektabis und Berenice.2 Allgemein bekannt ist bereits jene Art Litteratur, worin versprochen wird, sogar die in reifem Lebensalter entschlummerten Seelen sowie auch die durch anständige Todesarten dahingeschiedenen und die durch eine pünktliche Beerdigung beseitigten aus ihrer unterweltlichen Wohnung hervorzurufen. Als was sollen wir also die Magie bezeichnen? Wie fast alle, als Betrügerei.
Die einzigen aber, welchen das wahre Wesen dieses Betrugs nicht entgeht, sind wir Christen, die wir von dieser geistigen Bosheit nicht etwa durch eine mit ihr im Bunde stehende Mitwisserschaft, sondern durch ein ihr gegensätzliches Wissen Kenntnis haben und diese vielgestaltige Seuche des menschlichen Geistes nicht herbeilocken, sondern sie mit einer sie bekämpfenden Übermacht behandeln, sie, die Bewirkerin jeglichen Irrtums, diese Verwüsterin des Heils und der Seelen zugleich. Durch die Kunst der Magie, jener zweiten Sorte des Götzendienstes, in welcher sich die Dämonen als Tote darstellen, gerade wie bei dem eigentlichen Götzendienste als Götter –— und warum sollten sie es denn nicht, da die Götter ja auch blosse Verstorbene sind?3 –— werden also4 die vorzeitig und gewaltsam aus dem Leben Geschiedenen zwar citiert, unter dem scheinbar plausibeln Grunde, es sei glaublich, dass gerade die Seelen, welche ein durch Gewaltthat und Unrecht herbeigeführtes, grausiges, vorzeitiges Ende des Lebens beraubte, vorzugsweise zu Gewaltthaten und Unrecht mitwirken, sozusagen, zur Wiedervergeltung des Unrechtes, wirklich sind es aber die Dämonen, welche unter ihrem Deckmantel wirtschaften, und zwar gerade die, welche damals in ihnen sassen, als sie noch lebten, und ihnen ein derartiges Ende bereiteten. Wir haben ja bereits angedeutet, dass kein Mensch ohne ein Dämonium sei, und es ist mehrfach bekannt, dass durch das Treiben der Dämonen vorzeitige und schreckliche Todesfälle bewirkt werden, welche man ihren Angriffen zuschreibt. Auch diesen Betrug des bösen Geistes, der sich unter den Personen Verstorbener versteckt, thun wir, wenn ich nicht sehr irre, durch Thatsachen dar. Denn derselbe behauptet bei den Exorzismen zuweilen, er sei einer von den beiden Eltern des ihm angehörigen Menschen,5 manchmal, er sei ein Gladiator oder Bestiarier, so gut wie ein andermal, er sei ein Gott, indem er auf weiter nichts sinnt, als unsere Lehren zu beseitigen, damit wir nur ja nicht glauben, dass sämtliche Seelen in die Unterwelt gethan werden, und den Glauben an das Gericht und die Auferstehung zu erschüttern. Aber S. 374 nachdem der Dämon die Anwesenden zu täuschen versucht hat, muss er durch fortgesetzte Anwendung der göttlichen Gnade6 besiegt, schliesslich, wenn auch ungern, den wahren Sachverhalt bekennen.
Daher wird denn auch bei der zweiten Art von Magie, welche vermeintlich die schon zur Ruhe gelangten Seelen aus der Unterwelt hervorruft, es keine andere Kraft des Betruges sein, die wirksam ist.7 Dort wird auch ein Phantasma dargeboten und scheinbar ein Leib angenommen. Die äussern Augen einzunehmen, ist ja nichts Grosses für den, dem es ein Leichtes ist, die innere Sehkraft des Geistes zu verdunkeln. So erschienen Pharao und den Ägyptern die aus den Zauberstäben entstandenen Schlangen als Körper. Aber die wirklichen Schlangen des Moses frassen das Trugbild auf.8 Viel, fürwahr, unternahmen Simon und Elymas, die Zauberer, gegen die Apostel. Aber die Strafe der Blindheit war keine Einbildung.9 Was ist es denn besonderes, wenn der unreine Geist die Wahrheit nachäfft? Siehe, haben doch heutzutage die Häretiker, die sich nach demselben Simon nennen, eine so grosse Vorstellung von ihrer Kunst, dass sie sich in ihrer Selbstüberhebung sogar anheischig machen, die Seelen der Propheten aus der Unterwelt hervorzuholen, und ich glaube auch, dass sie es in betrügerischer Weise imstande sind. War doch dazumal, als Saul ausser Gott noch die Toten um Rat fragen wollte,10 dem Pythonsgeiste nichts Geringeres gestattet, als die Seele Samuels vorzustellen.
Fern sei es von uns, zu glauben, es sei die Seele irgend eines Heiligen, geschweige denn eines Propheten, wirklich durch einen Dämon herausgeholt worden; sind wir doch belehrt, dass der Satan sich sogar in einen Engel des Lichts verwandelt,11 um wie viel mehr also noch in einen Menschen des Lichts; beim Weltende wird er sogar behaupten, Gott zu sein,12 und noch wunderbarere Zeichen sehen lassen, um, wenn es möglich wäre, sogar die Auserwählten abwendig zu machen.13 Vermutlich hat er damals noch Bedenken getragen, sich für einen Propheten auszugeben, zumal Saul gegenüber, in welchem er selbst bereits wohnte. Man glaube nur nicht etwa, der, welcher das Gesicht bewirkte, sei ein anderer gewesen, als der, welcher es empfahl, sondern man halte den Geist, der in der falschen Prophetin und dem Apostaten mit Leichtigkeit erlog, was er zu glauben bewirkte, für denselben, der auch bewirkt hatte, dass Sauls Schatz dort war, wo sein Herz war, nämlich da, wo Gott nicht war. Darum schaute Saul mit dessen Hilfe, durch den er zu schauen glaubte, weil er auch durch den glaubte, mit dessen Hilfe er schaute. Wenn man uns S. 375 entgegenhält, man erblicke in nächtlichen Bildern häufig Verstorbene nicht ohne Nutzen –— denn auch die Nasamonen erhalten durch Verweilen bei den Gräbern ihrer Eltern besondere Orakel, wie Heraklit, Nymphodor und Herodot14 berichten, und die Celten bringen aus demselben Grunde bei den Grabhügeln tapferer Männer ganze Nächte zu, wie Nikander berichtet –— so ist doch die Realität, womit wir im Schlafe die Toten wahrnehmen, keine grössere als bei den Lebendigen, sondern die Art und Weise, sie zu sehen, ist dieselbe, wie wir die Lebenden und alles Sichtbare sehen. Denn die Gesichte sind nicht deshalb wahr, weil sie geschaut werden, sondern insofern sie in Erfüllung gehen. Die Zuverlässigkeit der Traumgesichte beruht auf ihrem Eintreffen, nicht auf der Wahrnehmung.
Dass die Unterwelt durchaus keiner Seele den Austritt gestatte, hat der Herr in der Person Abrahams an der Geschichte von dem Armen, der in die Ruhe einging, und dem Reichen, der stöhnte, deutlich genug durch die Bemerkung bestätigt, dass von dort kein Verkündiger der göttlichen Ratschlüsse ausgesendet werden könne, was doch wohl zu dem Zweck, damit Moses und die Propheten Glauben fänden, hätte erlaubt werden dürfen. Obwohl aber die Macht Gottes einige Seelen in ihre Körper zurückgerufen hat, um damit ihr Recht dazu zu dokumentieren, so wird sie sich darum noch nicht auf eine Stufe stellen mit dem verwegenen Wahn der Magier, der Betrügerei der Träumer und der Freiheit der Dichter. Wo die Macht Gottes hingegen bei den vorgekommenen Fällen von Auferstehung, sei es durch Propheten, sei es durch Christus oder die Apostel, einzelne Seelen ihren Körpern wiedergegeben hat, da ist durch deren materielle, greifbare und ersättigte Realität das Präjudiz gegeben, dass dies die Norm für die Wahrheit sei, und man darf jedes Erscheinen von Verstorbenen ohne Körper als Blendwerk ansehen.
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Die Aori, ἄωροι [aōroi], sind die frühzeitig, βιαιοθάνατοι [biaiothanatoi]. die auf gewaltsame Weise um's Leben Gekommenen. ↩
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Zauberer, zum teil Schriftsteller über die Magie. ↩
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Apolog. c. 10, 11. ↩
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Öhler ändert itaque in aeque, wozu kein Grund. Besser wäre ita allein. In diesem Satze scheint manches nicht in Ordnung zu sein. Ich glaube dadurch einen vernünftigen Sinn hineingebracht zu haben, dass ich zu Anfang statt etiam, wofür Ursinus scientiam lesen wollte, setze arte jam. ↩
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Des Besessenen. ↩
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D. i. durch Anwendung von Exorzismen. ↩
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Die Handschriften bieten hier operatior, was Öhler in das womöglich noch sinnlosere operantior umgeändert hat. Es muss etwas wie operatrix dagestanden haben. ↩
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II. Mos. 7, 12. ↩
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Act. c. 8 und 13. ↩
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I. Kön. 28, 6 ff. ↩
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II. Kor. 11, 14. ↩
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II. Thess. 2, 4. ↩
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Matth. 24, 24. ↩
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Herodot IV, 172. ↩
Edition
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De Anima
LVII.
[1] Aut optimum est hic retineri secundum ahoros aut pessimum secundum biaeothanatos, ut ipsis iam uocabulis utar quibus auctrix opinionum istarum magia sonat, Ostanes et Typhon et Dardanus et Damigeron et Nectabis et Berenice. [2] Publica iam litteratura est quae animas etiam iusta aetate sopitas, etiam proba morte disiunctas, etiam prompta humatione dispunctas euocaturam se ab inferum incolatu pollicetur. Quid ergo dicemus magian? Quod omnes paene, fallaciam. Sed ratio fallaciae solos non fugit Christianos, qui spiritalia nequitiae, non quidem socia conscientia, sed inimica scientia nouimus, nec inuitatoria operatione, sed expugnatoria dominatione tractamus multiformem luem mentis humanae, totius erroris artificem, salutis pariter animaeque uastatorem; sic etiam magiae, secundae scilicet idololatriae, in qua se daemones perinde mortuos fingunt, quemadmodum in illa deos. Quidni? cum et dii mortui. [3] Itaque inuocantur quidem ahori et biaeothanati sub illo fidei argumento, quod credibile uideatur eas potissimum animas ad uim et iniuriam facere quas per uim et iniuriam saeuus et immaturus finis extorsit, quasi ad uicem offensae. [4] Sed daemones operantur sub ostentu earum, et hi uel maxime qui in ipsis tunc fuerunt, cum aduiuerent, quique illas in huiusmodi impegerant exitus. Nam et suggessimus nullum paene hominem carere daemonio, et pluribus notum est daemoniorum quoque opera et immaturas et atroces effici mortes, quas incursibus deputant. [5] Hanc quoque fallaciam spiritus nequam sub personis defunctorum delitescentis, nisi fallor, etiam rebus probamus, cum in exorcismis interdum aliquem se ex parentibus hominis sui affirmat, interdum gladiatorem uel bestiarium, sicut et alibi deum, nihil magis curans quam hoc ipsum excludere quod praedicamus, ne facile credamus animas uniuersas ad inferos redigi, ut et iudicii et resurrectionis fidem turbent. Et tamen ille daemon, postquam circumstantes circumuenire temptauit, instantia diuinae gratiae uictus id quod in uero est inuitus confitetur. [6] Sic et in illa alia specie magiae, quae iam quiescentes animas euellere ab inferis creditur et conspectui exhibere, non alia fallaciae uis est: operatior plane, quia et phantasma praestatur, quia et corpus affingitur; nec magnum illi exteriores oculos circumscribere, cui interiorem mentis aciem excaecare perfacile est. [7] Corpora denique uidebantur Pharaoni et Aegyptiis magicarum uirgarum dracones; sed Mosei ueritas mendacium deuorat. Multa utique et aduersus apostolos Simon et Elymas magi; sed plaga caecitatis de praestigiis non fuit. Quid noui aemulatio ueritatis a spiritu immundo? Ecce hodie eiusdem Simonis haeretici tanta praesumptio se artis extollit, ut etiam prophetarum animas ab inferis mouere se spondeant. [8] Et credo, quia mendacio possunt; nec enim pythonico tunc spiritui minus licuit animam Samuelis effingere post deum mortuos consulente Saule. Absit alioquin, ut animam cuiuslibet sancti, nedum prophetae, a daemonio credamus extractam, edocti quod ipse satanas transfiguretur in angelum 1ucis, nedum in hominem lucis, etiam deum se asseueraturus in fine signaque portentosiora editurus ad euertendos, si fieri possit, electos. Dubitauit, si forte, tunc prophetam se dei asseuerare et utique Sauli, in quo iam ipse morabatur, [9] ne putes alium fuisse qui phantasma administrabat, alium qui commendabat, sed eundem spiritum et in pseudoprophetide et in apostata facile mentiri quod fecerat credi, per quem Sauli thesaurus illic erat ubi et cor ipsius, ubi scilicet deus non erat. Et ideo per quem uisurum se credidit uidit, quia per quem uidit et credidit. [10] Si et de nocturnis imaginibus opponitur saepe non frustra mortuos uisos (nam et Nasamonas propria oracula apud parentum sepulcra mansitando captare, ut Heraclides scribit uel Nymphodorus uel Herodotus, et Celtas apud uirorum fortium busta eadem de causa abnoctare, ut Nicander affirmat), non magis mortuos uere patimur in somnis quam uiuos, sed eadem ratione mortuos qua et uiuos et omnia quae uidentur. Non enim quia uidentur uera sunt, sed quia adimplentur. Fides somniorum de effectu, non de conspectu renuntiatur. [11] Nulli autem animae omnino inferos patere satis dominus in argumento illo pauperis requiescentis et diuitis ingemiscentis ex persona Abrahae sanxit, non posse inde relegari renuntiatorem dispositionis infernae, quod uel tunc licere potuisset, ut Moysi et prophetis crederetur. [12] Sed etsi quasdam reuocauit in corpora dei uirtus in documenta iuris sui, non idcirco communicabitur fidei et audaciae magorum et fallaciae somniorum et licentiae poetarum. Atquin in resurrectionis exemplis, cum dei uirtus siue per prophetas siue per Christum siue per apostolos in corpora animas repraesentat, solida et contrectabili et satiata ueritate praeiudicatum est hanc esse formam ueritatis, ut omnem mortuorum exhibitionem incorporalem praestrigias iudices.