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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
10. Welche Anschauungen entwickelten die, die über die verschiedenen Bestandteile der Welt verschiedene Götter walten lassen?
Warum wird nun dem Jupiter noch die Juno als Gemahlin beigesellt und zwar so, daß sie „Schwester und Gemahlin“1, heißt? Man erwidert: Jupiter denken wir uns in der höheren Luftschicht, Juno in der unteren und diese beiden Elemente sind verbunden, das eine als oberes, das andere als unteres. Demnach wäre also Jupiter nicht der, von dem es heißt: „Alles ist Jupiters voll“, wenn einen Teil Juno erfüllt. Oder erfüllen diese beiden das eine wie das andere Element und sind die beiden Eheleute in den beiden Elementen und in jedem der beiden zumal? Warum weist man dann den Äther dem Jupiter an und die untere Luftschicht der Juno? Und die zwei waren doch genug; wie kommt es, daß man das Meer dem Neptun, die Erde dem Pluto zuteilt? Und damit auch sie nicht ohne Gemahlinnen blieben, gibt man dem Neptun die Salacia bei, dem Pluto die Proserpina. Wie nämlich Juno, so sagt man, den unteren Teil des Himmels, das ist die tiefere Luftschicht inne hat, so auch Salacia den unteren Teil des Meeres Band 1, S. 200und Proserpina den unteren Teil der Erde. Sie plagen sich, ihre brüchigen Fabeleien zu flicken, und es reicht doch nirgends zu. Wenn es so wäre, wie sie sagen, so würde man von altersher drei Elemente angenommen haben, nicht vier, so daß die einzelnen Götterpaare den einzelnen Elementen zugeteilt würden. So aber behaupteten die alten Schriftsteller zwar in aller Form, der Äther sei etwas anderes als die Luft. Das Wasser dagegen ist eben Wasser, ob oberes oder unteres; man mag das untere für verschieden halten, aber ist es so verschieden, daß es nicht mehr Wasser wäre? Und die untere Erde, was wird sie sonst sein als Erde, wenn auch noch so verschieden von der oberen? Ferner geht in diesen drei oder vier Elementen die ganze körperliche Welt rein auf; wo findet da Minerva noch Platz? was hat sie inne? was füllt sie aus? Sie hat ja neben Jupiter und Juno auch ihre Stätte im Kapitol, obgleich sie nicht eine Tochter von beiden ist. Weist man ihr, wie es geschieht, die obere Ätherschicht zu, was die Dichter veranlaßt haben soll, sie aus dem Haupte Jupiters entspringen zu lassen, warum gilt dann nicht sie viel mehr als die Königin der Götter, wenn sie doch höher als Jupiter thront? Etwa deshalb, weil es unziemlich gewesen wäre, die Tochter über den Vater zu stellen? Warum hat man dann bei Jupiter selbst dem Saturnus gegenüber dieses richtige Verhältnis nicht eingehalten? Etwa weil Saturnus der unterlegene Teil war? Also haben sie miteinander Krieg geführt? Beileibe nicht, hält man uns entgegen, das ist nichts als Fabelgeschwätz. Auch recht, man darf den Fabeln nicht glauben und muß von den Göttern eine bessere Meinung haben; warum also hat der Vater Jupiters, wenn auch keinen höheren, doch nicht einmal den gleichen Ehrensitz erhalten? Man erwidert: weil Saturnus die Zeitenlänge ist. Demnach verehren die, die Saturnus verehren, die Zeit, und Jupiter, der König der Götter, wird als Sohn der Zeit hingestellt. Was wäre auch Unziemliches dabei, Jupiter und Juno Kinder der Zeit zu nennen, wenn jener der Himmel, diese die Erde ist, da ja Himmel und Erde doch wohl erschaffen sind? auch das steht in den Büchern ihrer Gelehrten und Weisen. Und nicht aus der Band 1, S. 201dichterischen Phantasie, sondern aus den Werken der Philosophen hat Vergil2 geschöpft, wenn er sagt:
„Alsdann stieg der allmächtige Vater, der Äther, im fruchtbar'n
Regen herab in den Schoß der frohen Gemahlin“,
das ist in den Schoß des Erdreichs [tellus]oder der Erde; denn auch hier macht man Unterschiede und hält bezüglich der Erde auseinander die Terra, die Tellus und den Tellumo und erachtet diese alle für Götter mit besonderen Namen, mit besonderen Aufgaben und mit besonderen Altären und Opfern. Und wiederum bezeichnet man die Erde als die Göttermutter, so daß die Phantasiegebilde der Dichter schon bald erträglicher sind als die Heiligtumsbücher, wenn nach diesen Juno3 nicht nur die „Schwester und Gemahlin“, sondern auch die Mutter Jupiters ist. Und wiederum macht man die Erde zur Ceres, macht sie zur Vesta, obwohl freilich öfters versichert wird, Vesta sei lediglich das Feuer der Herdstätten, ohne die ein Staatswesen nicht denkbar ist, und man habe deshalb der Vesta Jungfrauen zum Dienste beigegeben, weil aus dem Feuer so wenig wie aus einer Jungfrau etwas geboren werde. Dieser ganze Kram verdiente doch wohl abgetan und beseitigt zu werden von dem, der aus der Jungfrau geboren worden ist. Wie abgeschmackt nämlich ist es, wenn man einerseits dem Feuer soviel Ehre und sozusagen jungfräuliche Eigenschaften zuerkennt und andrerseits da und dort sich nicht scheut, die Vesta auch als Venus anzusprechen, so daß die in ihren Dienerinnen geehrte Jungfräulichkeit in nichts zerfließt! Denn ist Vesta die Venus, wie hätten ihr da Jungfrauen durch Enthaltung von den Werken der Venus den rechten Dienst erweisen können" Oder gibt es eine doppelte Venus, die eine Jungfrau, die andere Weib? Oder gleich drei, eine für die Jungfrauen und diese zugleich auch Vesta, eine für die Verheirateten und eine für die Buhlerinnen, welch letzterer auch die Phönicier ein Weihegeschenk darbrachten in der Preisgebung ihrer Töchter vor der Verheiratung? Band 1, S. 202Welche von ihnen ist die Frau Vulkans? Natürlich nicht die Jungfrau, weil sie ja einen Gemahl hat, Beileibe aber nicht die Venus als Buhlerin; diese Unbill möchten wir dem Sohne der Juno und dem Kunstgenossen der Minerva nicht antun. Also ist Vulkans Gemahlin die Venus der Verheirateten; aber sie mögen sie ja nicht zum Vorbild nehmen in dem, was sie mit Mars getan hat. Ei, da kommst du schon wieder mit Fabeleien, ruft man mir zu. Aber wo bleibt die Billigkeit, wenn man uns darüber zürnt, daß wir derlei über ihre Götter sagen, und sich selbst zürnt man nicht darüber, daß man in den Theatern diese Schandtaten der Götter mit vielem Vergnügen sich anschaut. Und die Darstellungen dieser Schandtaten der Götter — es wäre unglaublich, wenn es nicht auf das bestimmteste bezeugt wäre — sind zu Ehren der Götter eingeführt worden.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput X: Quas opiniones secuti sint, qui diuersos deos diuersis mundi partibus praefecerunt.
Cur illi etiam Iuno uxor adiungitur, quae dicatur soror et coniux? quia Iouem, inquiunt, in aethere accipimus, in aere Iunonem, et haec duo elementa coniuncta sunt, alterum superius, alterum inferius. non est ergo ille, de quo dictum est Iouis omnia plena, si aliquam partem inplet et Iuno. an uterque utrumque inplet, et ambo isti coniuges et in duobus istis elementis et in singulis simul sunt? cur ergo aether datur Ioui, aer Iunoni? postremo ipsi duo satis essent: quid est quod mare Neptuno tribuitur, terra Plutoni? et ne ipsi quoque sine coniugibus remanerent, additur Neptuno Salacia, Plutoni Proserpina. nam sicut inferiorem caeli partem, id est aerem, inquiunt, Iuno tenet, ita inferiorem maris Salacia et terrae inferiorem Proserpina. quaerunt quemadmodum sarciant fabulas, nec inueniunt. si enim haec ita essent, tria potius elementa mundi esse, non quattuor, eorum ueteres proderent, ut singula deorum coniugia diuiderentur singulis elementis. nunc uero omni modo adfirmauerunt aliud esse aetherem, aliud aerem. aqua uero siue superior siue inferior utique aqua est; puta quia dissimilis: numquid in tantum ut aqua non sit? et inferior terra quid aliud potest esse quam terra quantalibet diuersitate distincta? deinde ecce iam totus in his quattuor uel tribus elementis corporeus conpletus est mundus: Minerua ubi erit? quid tenebit? quid inplebit? simul enim cum his in Capitolio constituta est, cum ista filia non sit amborum. aut si aetheris partem superiorem Mineruam tenere dicunt et hac occasione fingere poetas quod de Iouis capite nata sit: cur non ergo ipsa potius deorum regina deputatur, quod sit Ioue superior? an quia indignum erat praeponere patri filiam? cur non de Ioue ipso erga Saturnum iustitia ista seruata est? an quia uictus est? ergo pugnarunt? absit, inquiunt; fabularum est ista garrulitas. ecce fabulis non credatur et de dis meliora sentiantur: cur ergo non data est patri Iouis, etsi non sublimior, aequalis certe sedes honoris? quia Saturnus, inquiunt, temporis longitudo est. tempus ergo colunt, qui Saturnum colunt, et rex deorum Iuppiter insinuatur natus ex tempore. quid enim indignum dicitur, cum Iuppiter et Iuno nati dicuntur ex tempore, si caelum est ille et illa terra, cum facta sint utique caelum et terra? nam hoc quoque in libris suis habent eorum docti atque sapientes. neque de figmentis poeticis, sed de philosophorum libris a Vergilio dictum est: tum pater omnipotens fecundis imbribus aether coniugis in gremium laetae descendit, id est in gremium telluris aut terrae; quia et hic aliquas differentias uolunt esse atque in ipsa terra aliud Terram, aliud Tellurem, aliud Tellumonem putant, et hos omnes deos habent suis nominibus appellatos, suis officiis distinctos, suis aris sacrisque ueneratos. eandem terram etiam matrem deum uocant, ut iam poetae tolerabiliora confingant, si secundum istorum non poeticos, sed sacrorum libros non solum Iuno, soror et coniux, sed etiam mater est Iouis. eandem terram Cererem, eandem etiam Vestam uolunt, cum tamen saepius Vestam nonnisi ignem esse perhibeant pertinentem ad focos, sine quibus ciuitas esse non potest, et ideo illi uirgines solere seruire, quod sicut ex uirgine, ita nihil ex igne nascatur. quam totam uanitatem aboleri et extingui utique ab illo oportuit, qui est natus ex uirgine. quis enim ferat, quod, cum tantum honoris et quasi castitatis igni tribuerint, aliquando Vestam non erubescunt etiam Venerem dicere, ut uanescat in ancillis eius honorata uirginitas? si enim Vesta Venus est, quomodo ei rite uirgines a Veneriis operibus abstinendo seruierunt? an Veneres duae sunt, una uirgo, altera mulier? an potius tres, una uirginum, quae etiam Vesta est, alia coniugatarum, alia meretricum? cui etiam Phoenices donum dabant de prostitutione filiarum, antequam eas iungerent uiris. quae illarum est matrona Vulcani? non utique uirgo, quoniam habet maritum. absit autem ut meretrix, ne filio Iunonis et cooperario Mineruae facere uideamur iniuriam. ergo haec ad coniugatas intellegitur pertinere: sed eam nolumus imitentur in eo quod fecit illa cum Marte. rursus, inquiunt, ad fabulas redis. quae ista iustitia est, nobis suscensere, quod talia dicimus de dis eorum, et sibi non suscensere, qui haec in theatris libentissime spectant crimina deorum suorum? et - quod esset incredibile, nisi contestatissime probaretur - haec ipsa theatrica crimina deorum in honorem instituta sunt eorundem deorum.