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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
30. Wie denken von den Heidengöttern deren Verehrer selbst nach ihrem eigenen Geständnis?
Der Zeichendeuter Cicero1 lächelt über die Vorzeichen und schilt die Leute, die ihre Lebenspläne nach der Stimme von Raben und Krähen einrichten. Indes dieser Akademiker, dem alles als ungewiß gilt, hat in Band 1, S. 229solchen Fragen kein entscheidendes Gewicht Es tritt aber bei ihm im zweiten Buch des Werkes über die Natur der Götter2 Quintus Lucilius Balbus auf und gibt, obwohl er selbst abergläubische Anschauungen physischer und philosophischer Art, hergenommen aus der Natur der Dinge, mit einfließen läßt, doch seinem Unbehagen über die Errichtung von Götterbildern und über abergläubische Meinungen Ausdruck in folgenden Worten: „Seht ihr nun, wie die Betrachtung von den natürlichen Dingen hinweg, auf die man glücklich und mit nützlichem Erfolg gekommen war, zu den eingebildeten und erdichteten Göttern abgelenkt wurde? Daraus entstanden falsche Vorstellungen, verworrene Irrtümer und fast altweibermäßiger Aberglaube. Es ist uns ja sogar die Gestalt, das Alter, die Kleidung und der Schmuck der Götter bekannt, nicht minder ihr Geschlecht, ihre ehelichen Verbindungen, ihre Verwandtschaften, und in allem hat man die menschlichen Schwächen auf sie übertragen. Denn man legt ihnen Gemütserregungen bei; wir hören von Leidenschaften, Bekümmernissen, Zornesausbrüchen der Götter. Ja wenn wir den Fabeln glauben wollen, hat es sogar Kriege und Kämpfe unter den Göttern gegeben; und nicht bloß in der Form wie bei Homer, daß sich die Götter um zwei gegnerische Heere hüben und drüben annahmen, sondern sie führten auch (wie mit den Titanen oder den Giganten) selbst miteinander Kriege. Derlei Dinge, die weiter nichts sind als Einbildung und läppisches Zeug, zu behaupten und zu glauben, ist vollendete Torheit.“ Dies Geständnis aus dem Kreise derer, die für die Götter der Heiden eintreten, möge vorerst genügen. Indem er solche Anschauungen in die Kategorie des Aberglaubens verweist, dagegen der Religion zuteilt, was er selbst an der Hand der Stoiker, wie es scheint, vorbringt, fährt er fort: „Nicht nur die Philosophen, sondern auch unsere Vorfahren haben nämlich zwischen Aberglaube und Religion unterschieden; wer ganze Tage lang betete und opferte, damit seine Kinder ihn überleben möchten3, wurde als abergläubisch [superstitiosus] bezeichnet“.
Band 1, S. 230Er will also offenbar, aus Rücksicht auf die Traditionen der Bürgerschaft, die Religion der Vorfahren herausstreichen und sie als unterschieden vom Aberglauben erweisen, aber er bringt es nicht fertig. Denn wenn von den Vorfahren als abergläubisch die bezeichnet wurden, die ganze Tage lang beteten und opferten, traf dann dasselbe Verdikt nicht auch die, von denen Götterbilder (was er doch ebenfalls tadelt), nach Alter und Gewandung unterschieden, die Trennung nach Geschlechtern, die ehelichen Verbindungen und die verwandtschaftlichen Beziehungen der Götter eingeführt wurden? Wenn man das alles als abergläubisch brandmarkt, so richtet sich dieser Vorwurf natürlich gegen die Vorfahren, die solche Götterbilder errichteten und verehrten; er trifft auch den Tadler selbst, der, so beredt er sich zur Freiheit emporzuarbeiten versucht, doch auch die Bildnisse verehren mußte und in einer Volksversammlung nicht gewagt hätte, auch nur ein Wörtlein von dem verlauten zu lassen, wovon er in jener philosophischen Erörterung den Mund so voll nahm. Danken also wir Christen unserm Herrn und Gott, nicht dem Himmel und der Erde, wie Balbus meinte, sondern dem Schöpfer des Himmels und der Erde, der diese abergläubischen Anschauungen, die Balbus gleichsam stammelnd4 kaum ernstlich rügte, durch die tiefe Demut Christi, durch die Verkündigung der Apostel, durch den Glauben der Märtyrer, die für die Wahrheit starben und in der Wahrheit leben, nicht allein in den Herzen der Frommen, sondern auch in den Tempeln des Aberglaubens umgestoßen und an ihre Stelle die innere Freiheit in seinem Dienste gesetzt hat.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XXX: Qualia de dis gentium etiam cultores eorum se sentire fateantur.
Cicero augur inridet auguria et inridet homines corui et corniculae uocibus uitae consilia moderantes. sed iste Academicus, qui omnia esse contendit incerta, indignus est qui habeat ullam in his rebus auctoritatem. disputat apud eum Quintus Lucilius Balbus in secundo de deorum natura libro, et cum ipse superstitiones ex natura rerum uelut physicas et philosophicas inserat, indignatur tamen institutioni simulacrorum et opinionibus fabulosis ita loquens: uidetis ne igitur, ut a physicis rebus bene atque utiliter inuentis ratio sit tracta ad commenticios et fictos deos? quae res genuit falsas opiniones erroresque turbulentos et superstitiones paene aniles. et formae enim nobis deorum et aetates et uestitus ornatusque noti sunt, genera praeterea, coniugia, cognationes, omniaque traducta ad similitudinem inbecillitatis humanae. nam et perturbatis animis inducuntur; accepimus enim deorum cupiditates aegritudines iracundias. nec uero, ut fabulae ferunt, di bellis proeliisque caruerunt; nec solum, ut apud Homerum, cum duos exercitus contrarios alii di ex alia parte defenderent, sed etiam - ut cum Titanis aut cum gigantibus - sua propria bella gesserunt. haec et dicuntur et creduntur stultissime et plena sunt uanitatis summaeque leuitatis. ecce interim quae confitentur qui defendunt deos gentium. deinde cum haec ad superstitionem pertinere dicat, ad religionem uero, quae ipse secundum Stoicos uidetur docere: non enim philosophi solum, inquit, uerum etiam maiores nostri superstitionem a religione separauerunt; nam qui totos dies precabantur, inquit, et immolabant, ut sibi sui liberi superstites essent, superstitiosi sunt appellati. quis non intellegat eum conari, dum consuetudinem ciuitatis timet, religionem laudare maiorum eamque a superstitione uelle seiungere, sed quomodo id possit non inuenire? si enim a maioribus illi sunt appellati superstitiosi, qui totos dies precabantur et immolabant, numquid et illi, qui instituerunt - quod iste reprehendit - deorum simulacra diuersa aetate et ueste distincta, deorum genera coniugia cognationes? haec utique cum tamquam superstitiosa culpantur, inplicat ista culpa maiores talium simulacrorum institutores atque cultores; inplicat et ipsum, qui, quantolibet eloquio se in libertatem nitatur euoluere, necesse habebat ista uenerari; nec quod in hac disputatione disertus insonat, muttire auderet in populi contione. agamus itaque Christiani domino deo nostro gratias, non caelo et terrae, sicut iste disputat, sed ei qui fecit caelum et terram, qui has superstitiones, quas iste Balbus uelut balbutiens uix reprehendit, per altissimam Christi humilitatem, per apostolorum praedicationem, per fidem martyrum pro ueritate morientium et cum ueritate uiuentium non solum in cordibus religiosis uerum etiam in aedibus superstitiosis libera suorum seruitute subuertit.