18.
Man werfe also, wenn man einmal zum Glauben gefunden hat, sämtliche Bücher, die dazu verholfen haben, weg! Denn wenn der Satz des Faustus (379,4) wahr ist, sehe ich auch beim Evangelium Christi keinen Grund, warum jene, die bereits gläubig sind, es weiter lesen sollten. Bevor man den Glauben besitzt, ist es offensichtlich unnütz; der Heide, den Faustus, – welcher eher Mitleid als Spott verdient hätte –, als Spötter auftreten lässt, ist ja nicht zum Glauben an Christus gelangt. Nachdem man aber den Glauben besitzt, ist es überflüssig, wie es sich laut Faustus (379,6) ja auch nicht mehr lohnt, den wahren Vorhersagen über Christus Glauben zu schenken, sobald man den Glauben an ihn gefunden hat. Hier werdet ihr vielleicht einwenden: Aber wer schon zum Glauben gelangt ist, muss doch das Evangelium lesen, damit er nicht vergisst, was nun der Glaubensinhalt ist. Aber genau so, ihr Wirrköpfe, muss er doch auch die wahren Zeugnisse der Propheten lesen, damit er nicht vergisst, warum er zu diesem Glauben gekommen ist; denn wenn er das vergisst, wird bei ihm auch der Glaubensinhalt nicht haften bleiben. Wenn euch das nicht einleuchtet, werft als Erstes die Bücher des Mani weg, auf deren Zeugnis hin ihr zum Glauben gekommen seid, dass das Licht mit der Finsternis kämpfte, – wobei das Licht euer Gott selber war –, und dass dieses Licht, um die Finsternis in seine Gewalt bringen zu können, sich zuerst von der Finsternis verschlingen, fesseln, verunreinigen und zerstückeln liess; mit eurem Kauen gebt ihr nun diesem Licht neues Leben, löst es aus seiner Fesselung, reinigt es und stellt es wieder her, um dafür als Belohnung einzustreichen, dass ihr nicht selber mit jenem Teil des Lichts, der nicht befreit werden kann, zur Strafe im ewigen Klumpen verurteilt werdet. Dieses Schauerdrama führt ihr alltäglich auf, sowohl durch eure Lebensführung wie in euren Gesängen. Warum sucht ihr dafür auch jetzt noch das Zeugnis der Bücher, sodass für eine völlig überflüssige Sache bei der Herstellung eurer Handschriften einerseits fremde Substanz verschwendet wird, anderseits die Substanz eures eigenen Gottes festgebunden wird? Verbrennt also all diese Pergamente und die eleganten, aus makellosen Tierhäuten ausgesuchten Einbände, damit ihr euch nicht mit einer überflüssigen Tätigkeit belastet, und damit gleichzeitig euer Gott befreit wird, der ja auch, – eine wahrhaft sklavische Mühsal – in euren Handschriften gefesselt ist. Wenn ihr nämlich eure Bücher, zum Beispiel in Form eines Absuds, aufessen könntet, welche Wohltat würdet ihr den Gliedern eures Gottes erweisen? Oder würde etwa, selbst wenn das möglich wäre, die Unreinheit des Fleisches die Pergamentblätter von eurer Speisekarte verbannen? Die reine Purpurtinte muss es sich also selber anlasten, wenn sie sich mit dem Lammleder verbunden hat! Doch auch dafür seid ihr ja verantwortlich, da ihr beim Schreiben, vergleichbar mit dem, was in eurem ersten Krieg geschehen ist, das was im Schreibrohr noch rein war, an die unreine Tierhaut gefesselt habt. Es sei denn, dass die Farben der Tinte euch gerade des Gegenteils bezichtigen: es ist doch eher so, dass ihr mit dem Dunkel der schwarzen Tinte zum Licht der weissen Blätter gelangt seid. Nun habt ihr die Wahl, entweder über uns erbost zu sein, weil wir solches sagen, oder über euch selber, weil ihr Dinge glaubt, die gewollt oder ungewollt solche Schlussfolgerungen zulassen! Wir dagegen lesen, als Merkzeichen für unseren Glauben, als Ermutigung für unsere Hoffnung, als Aufmunterung für unsere Liebe, die Bücher der Propheten und Apostel, die im Wechselgesang harmonisch zusammenklingen und uns mit dieser Harmonie gleich dem Klang der himmlischen Trompete aus dem Dämmerschlaf dieses Lebens, das eigentlich Tod ist, aufwecken und uns zum Siegespreis der himmlischen Berufung hinstreben lassen. Nachdem nämlich der Apostel aus den Prophetenbüchern jene Stelle zitiert hatte, die da lautet (Rm. 15,3/ Ps. 68,10): Die Schmähungen derer, die dich schmähen, haben mich getroffen, erwähnte er gleich anschliessend den Nutzen der Lektüre der göttlichen Schriften (ib. 4): Denn alles, was einst geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schriften Hoffnung haben auf Gott. Faustus aber widerspricht dem. Es soll ihm also widerfahren, was Paulus sagt (Gal. 1,9): Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet als das, was ihr empfangen habt, so sei er verflucht!
