9.
Denn wenn man uns fragen sollte, warum wir Gott nicht mit demselben Ritual verehren, mit dem zur Zeit des Alten Testaments die Hebräischen Väter ihn verehrten, dann antworten wir, dass Gott uns durch die Väter des Neuen Testaments etwas anderes gelehrt hat, was aber nicht gegen das Alte Testament gerichtet war, da es sogar dort zum vornherein vorhergesagt war. Mit folgenden Worten ist dies nämlich durch den Propheten angekündigt worden (Hier. 31,31 ff.): Siehe, es werden Tage kommen, spricht der Herr, und ich werde mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen Neuen Bund schliessen, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe am Tag, an dem ich sie bei der Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen.
Da sieht man, wie auch das prophezeit ist, dass jener Bund nicht Bestand haben wird, sondern dass es einen Neuen Bund geben wird. Sollte man hier einwerfen, dass wir nicht zum Haus Israel und nicht zum Haus Juda gehören, verteidigen wir uns mit der apostolischen Lehre; denn der Apostel lehrt ja, dass Christus der Nachkomme Abrahams sei (cf. Gal. 3,16. 19), und er sagt zu uns, die wir zu seinem Leib gehören, (Gal. 3,29): Ihr seid also die Nachkommenschaft Abrahams. Wenn man uns weiter fragen sollte, warum wir an der Autorität jenes Testamentes festhalten, dessen Ritual wir nicht befolgen, dann entnehmen wir die Antwort auch dafür aus den apostolischen Schriften. Es sagte nämlich der Apostel (Kol. 2,16 f.): Es soll also niemand über euch Richter sein in Fragen von Speise und Trank oder bezüglich der Feier von Festen, ob Neumond oder Sabbat; dies alles ist ja ein Schattenbild von dem, was kommen wird. Mit diesen Worten zeigt er nämlich einerseits, warum wir dies lesen und anerkennen müssen, nämlich damit seine prophetische Aussage lebendig bleibt, denn all das ist ja als Schattenbild dessen geschehen, was kommen wird, anderseits, dass wir uns um jene nicht zu kümmern brauchen, die über uns Richter sein wollen, weil wir die Vorschriften nicht mehr im körperlichen Sinn beobachten; in ähnlichem Sinn hat er sich ja auch an anderer Stelle ausgedrückt (I Kor. 10,11): Das geschah an ihnen im Sinnbild; aufgeschrieben aber wurde es zur Warnung für uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat.
Wenn man also im Korpus des Alten Testaments Vorschriften lesen kann, die zu befolgen uns das Neue Testament nicht befiehlt oder sogar verbietet, dann sollte man nach deren Sinngehalt fragen, nicht an ihnen herumkritteln; denn die Tatsache, dass sie nun nicht mehr befolgt werden, zeigt ja nicht, dass sie verworfen wurden, sondern dass sie nun erfüllt sind. Davon haben wir schon viele Beispiele, und dies an mehreren Stellen, genannt (cf. B. 12).
