13.
Wenn ihr nun weiter fragt (762,26), warum wir von all den Speisen, deren Genuss jenem Volk als Schattenbild des Zukünftigen (cf. Kol. 2,17) untersagt war, nur gerade das Erstickte und das Opferfleisch meiden, dann vernehmt auch darauf eine Antwort, und schätzt endlich die Wahrheit höher als eure angeberische Rabulistik! Warum es nämlich für den Christen nicht tunlich ist, Opferfleisch zu verspeisen, erklärt der Apostel mit folgenden Worten (I Kor. 10,20): Ich will nicht, dass ihr euch mit den Dämonen einlässt. Nicht jene von den Vätern dargebrachten Opfer, womit diese das Opferblut, mit dem Christus uns loskaufte, sinnbildhaft vorwegnahmen, prangert er also an; er sagte ja (ibid.): Doch was die Heiden opfern, das opfern sie den Dämonen, nicht Gott; und fügte den Satz hinzu, den ich bereits zitiert habe: Ich will nicht, dass ihr euch mit den Dämonen einlässt. Wenn nämlich jegliches Opferfleisch von Natur aus unrein wäre, würde es gewiss auch jenen unrein machen, der unwissend davon isst, denn der Grad der Unreinheit würde sich ja nicht danach bemessen, wie weit der, der es zu sich nimmt, Bescheid weiss (cf. I Kor. 10,27 f.); aus Rücksicht auf das Gewissen (sc. des Informanten, cf. Ibid. 10,28) soll er aber auf die Einnahme verzichten, um nicht den Anschein zu erwecken, dass er mit den Dämonen gemeinsame Sache mache. Den Genuss von Ersticktem dagegen (763,2) verbietet, wie ich glaube, die menschliche Erfahrung, weil nämlich das Fleisch von nicht getöteten, sondern verendeten Tieren gesundheitsschädigend und dem Wohl des Körpers nicht zuträglich ist, weswegen wir ja Nahrung zu uns nehmen. Was schliesslich das Gebot vom Ausfliessenlassen des Blutes betrifft, welches den Alten, d.h. Noe nach der Sintflut, in sinnbildlicher Funktion (cf. Gen. 9,4) auferlegt wurde – was es symbolisiert, haben wir bereits gezeigt ( ), sagen die meisten Interpreten, dass diese Vorschrift auch in der Apostelgeschichte zu lesen sei, und zwar in der Weisung der Apostel an die Heidenchristen (cf. Apg. 15,29), nur gerade Unzucht, Opferfleisch und Blut zu meiden, was bedeute, kein Fleisch zu essen, das nicht durch Ausblutenlassen geschlachtet wurde. Andere deuten diese Stelle anders: die Weisung, Blut zu meiden bedeute, sich nicht mit Menschenblut zu beflecken. Diese Frage hier zu diskutieren würde zu weit führen, und es ist auch nicht notwendig. Denn selbst wenn die Apostel damals jene Vorschrift, das Blut von Lebewesen zu meiden (cf. Apg. 15,29), in dem Sinn erlassen haben, dass man kein ersticktes Fleisch zu sich nehmen darf, haben sie, wie mir scheint, eine für die damalige Zeit angemessene, leichte und ohne jede Belastung erfüllbare Aufgabe ausgewählt, in der für einmal die Heidenchristen zusammen mit den Israeliten – eingedenk jenes Ecksteins, der beide in sich aufnimmt (cf. Eph. 2,20) – gemeinsam ein Gebot beachten sollten, und sie erinnern zugleich daran, dass, als Gott diese Vorschrift erliess (cf. Gen. 9,4) in Gestalt dieser Arche Noah die Kirche aller Völker symbolisiert war, eine Prophetie, die sich angesichts der Völker, die zum Glauben hinströmten, bereits zu erfüllen begann. Als nun aber jene Phase vorüber war, in der jene zwei Wände, die eine von der Beschneidung, die andere von der Vorhaut her kommend, sich gleichsam im Eckstein zusammenfanden (cf. Eph. 2,20), da stachen die beiden trotzdem mit ihren spezifischen Eigenheiten noch ziemlich deutlich voneinander ab. Nachdem nun aber die Kirche der Völker sich soweit entwickelt hat, dass in ihr kein fleischlich gesinnter Israelit mehr erkennbar ist, gibt es jetzt noch einen Christen, der Vorschriften solcherart beobachtet, dass er etwa Tauben oder noch kleineres Geflügel nicht anrührt, wenn sie nicht entblutet wurden, oder dass er einen Hasen nicht isst, der durch einen Genickschlag ohne blutende Wunde getötet wurde?
Und wenn es vielleicht ein paar wenige gibt, die immer noch Bedenken haben, solches anzurühren, werden sie von den andern verspottet. So hat sich also in dieser Frage jener Satz der Wahrheit (Mt. 15,11): Nicht was in euren Mund hineinkommt, macht euch unrein, sondern was herauskommt, allgemein durchgesetzt, welcher keine Art von Nahrung verurteilt, die von der menschlichen Gemeinschaft für geniessbar gehalten wird, wohl aber die Sünden, die die Ungerechtigkeit begeht (cf. C.F. 6,6).
