19.
Sieht man von diesen Sonderfällen, dazu noch von den alttestamentlichen Zeugnissen, die in jene Schriften eingefügt worden sind, einmal ab, bekennt ihr euch, laut der Aussage des Faustus (766,20), dazu, alles andere gläubig anzunehmen, besonders etwa die symbolische Kreuzigung Christi, welche die Wunden versinnbildlicht, die aus dem Leiden unserer Seele entstehen, im weitern, wie Faustus sagte (766,23), seine heilbringenden Gebote und seine Gleichnisse und überhaupt seine ganze, den Eindruck des Göttlichen vermittelnde Verkündigung, die sehr deutlich den Unterschied zwischen den zwei Naturen erkennen lässt und deshalb ohne Zweifel von ihm selbst stammt. Ihr seht also, dass es euch nur darum geht, jegliche Autorität der Schriften beiseite zu räumen, dafür einem jeden die Entscheidung zu überlassen, was er in jeder einzelnen Schrift anerkennen, was verwerfen will, d.h. dass er sich für seinen Glauben nicht der Autorität der Schriften unterwirft, sondern diese sich selbst unterwirft, dass ihm etwas nicht deshalb zusagt, weil es in einem Text von erhabenster Autorität zu lesen ist, sondern dass ihm ein Text deshalb als richtig erscheint, weil er ihm zusagt. Wo wagst du dich hin, arme, schwache, vom Nebel des Fleisches eingehüllte Seele, wo wagst du dich hin? Nun gut, schieb jene Autorität beiseite, schauen wir einmal hin, schieb jene Autorität beiseite, präsentiere uns deinen scharfen Verstand (cf. 780,6): Dies also ist das Ergebnis deines Nachdenkens, dass man die Natur eures Gottes für verletzlich und verderblich halten muss, damit jenes unendliche Drama eures Mythos zu seinem Theaterfinale finden kann! Und woher weißt du überhaupt, dass es sieben Erden und acht Himmel gibt, dass Atlas die Welt trägt, dass der Träger des Lichts sie in der Schwebe hält, und Unzähliges von der Art? Woher weißt du das? Ganz klar, sagtest du, Mani hat es mich gelehrt! Du Unglückseliger, dann ist es aber für dich eine Glaubenssache, denn selber gesehen hast du es nicht! Wenn du dich nun also dieser so wenig achtenswerten und von allen bösen Geistern besessenen Autorität an die Brust geworfen hast, und dich so in schändlicher Weise mit Tausenden von Wahngebilden aus der Fabelwelt schwängern liessest, um sie alle nur deshalb für wahr zu halten, weil sie in jenen Büchern aufgeschrieben sind, denen du in deinem erbarmungswürdigen Irrtum meintest glauben zu müssen, obwohl dir doch keines dieser Gebilde je gezeigt werden kann: warum unterwirfst du dich da nicht lieber der so fest fundierten und so unerschütterlichen Autorität des Evangeliums, die sich so ruhmvoll ausgebreitet hat und sich durch eine von den Zeiten der Apostel bis in unsere Tage sicher überlieferte Sukzessionsreihe empfiehlt, um zum Glauben, um zum Leben zu gelangen, um zu erkennen, dass einzig deine sinnlosen und irregeleiteten religiösen Vorstellungen dafür verantwortlich sind, wenn dir im Evangelium etwas anstössig erscheint, und dass es der Wahrheit viel eher angemessen ist, wenn die unveränderliche Natur Gottes etwas von der sterblichen Natur der Schöpfung angenommen hat, um dann in deren Gestalt, selber unveränderlich bleibend, nicht vorgetäuscht sondern wirklich, all das zu tun und zu erleiden, was diese kreatürliche Natur für das Menschengeschlecht, aus dem sie ja genommen war, in angemessener Form tun und erleiden konnte, als wenn man die Natur Gottes für verletzbar und verderblich hält, und glaubt, dass sie, einmal besudelt und überwältigt, nicht mehr zur Gänze befreit und gereinigt werden kann, sondern, als Folge der äussersten Notlage des Gottes, zur ewigen Gefangenschaft im Klumpen verurteilt wird.
