1. Zweiter Besuch bei Theonas und dessen Anrede.
S. b325 Nach fast sieben Tagen, als die Quinquagesima vorüber war und wir mit Anfang der Nacht, also nach dem abendlichen Gottesdienste in gespannter Erwartung auf die versprochene Unterredung in die Zelle des hl. Theonas eingetreten waren, redete uns der lebhafte Greis mit heiterer, freundlicher Miene gleich zuerst an und sprach: Ich wunderte mich, daß euer so brennender Eifer die Lösung der vorgelegten Frage diese sieben Tage hindurch aufschieben konnte und dem Schuldner eine so lange Pause gewährte. Weil mir also eure Güte von freien Stücken einen so ausgiebigen Waffenstillstand bewilligte, so ist es ganz gerecht, daß auch ich keine Verzögerung in Abtragung meiner Schuld zulasse: denn angenehm ist ja eine Leistung, welche größeren Zuwachs erwirbt, indem sie gegeben wird, und nicht nur Jenen bereichert, der sie empfängt, sondern auch dem Nichts S. b326 nimmt, der sie gibt. Einen doppelten Schatz nämlich sammelt sich Jener, welcher geistige Güter austheilt. Denn er erlangt nicht nur einen Gewinn in dem Fortschritte des Zuhörers, sondern auch (für sich) in seiner Unterredung, da er nicht weniger sich selbst zum Verlangen nach Vollkommenheit entzündet, während er den Hörenden unterrichtet. So ist also euer Eifer mein Gewinn, eure Sorgfalt meine Erweckung. Denn allerdings wäre ich jetzt gerade lau und würde in meinem Herzen Nichts von Dem, was ihr verlanget, betrachten, wenn mich nicht euer Eifer und eure Erwartung wie einen Schlafenden aufwecken würde, mich an geistliche Dinge zu erinnern. Und so mag denn nun, wenn es so gut scheint, die Frage vorgebracht werden, deren Lösung wir neulich wegen Kürze der Zeit lieber verschieben wollten.
