Einleitung
„Im August, als die Herbstwinde wehten, bestieg ich mit dem heiligen Priester Vincentius, meinem jüngeren Bruder, und einigen Mönchen, die jetzt zu Jerusalem weilen, im römischen Hafen unangefochten ein Schiff. Eine überaus große Zahl frommer Personen gab mir hierbei das Geleit.“ So schreibt Hieronymus in seiner Verteidigungsschrift gegen Rufin. 1 Diese an sich nüchternen Worte stellen einen Markstein auf in der Geschichte unseres Heiligen. Jenseits steht der mächtige Freund und Berater des Papstes Damasus, der einflußreiche Verfechter der monastischen Idee im lebenslustigen Rom, diesseits der Einsiedler von Bethlehem. Der Abschied von Rom war nicht freiwillig. Die aszetische Richtung hatte in der Hauptstadt, auch in weiten Kreisen der Geistlichkeit, ihre Gegner, mochten sie nun die Bewegung als eine ungesunde Schwärmerei ansehen, oder mochten sie sich durch sie in ihrer S. b103 weltmännischen Einstellung beengt fühlen. So lange Papst Damasus, der dem aszetischen Kreise wohlgesinnt war, 2 noch lebte, wagten sich die Widerstände nur schüchtern und vereinzelt hervor. Dock kaum hatte er im Dezember 384 die Augen für immer geschlossen, da setzte die Hetze ein. Man scheute selbst nicht vor den gemeinsten Verleumdungen zurück, welche die sittliche Lebensführung unseres Heiligen und angesehener Frauen des monastischen Kreises in den Kot zogen. Am neuen Papste Siricius scheinen die Angegriffenen keine Stütze gehabt zu haben. 3 Noch kein Jahr war vergangen, da mußte Hieronymus schweren Herzens als der Unterlegene das Kampffeld räumen und fast fluchtartig „Babylon“ mit „Jerusalem“ vertauschen. Freilich seine Gemeinde war ihm auch in der schwersten Stunde seines Lebens treu geblieben, wenn sie auch nicht vollzählig zum Abschied nach Ostia gekommen war. Zu den Fehlenden gehörte auch Asella, der Hieronymus einst in einem Briefe an Marcella ein herrliches literarisches Denkmal gesetzt hatte. 4 Sie gehörte der älteren aszetischen Generation an, deren geistiger Vater der hl. Athanasius, der erste Apostel der mönchischen Idee in Rom, in den Tagen seiner Verbannung wurde. In besonderer Weise muß sie sich ihres verleumdeten geistlichen Freundes angenommen haben, und dafür dankt ihr Hieronymus im vorliegenden Briefe. Noch einmal hält er scharfe Abrechnung mit seinen Gegnern, um dann von Asella und den ihr besonders nahestehenden Frauen des frommen Zirkels Abschied zu nehmen, wohl ahnend, daß er die Ewige Stadt nie wieder sehen würde.
Da der Brief vom Schiffe aus zu Ostia geschrieben wurde, ist er in den August des Jahres 385 zu verlegen.
Zu bemerken wäre wohl noch, daß mancher Hieronymusbiograph, der unseren Heiligen zu sehr mit dem S. b104 Auge seiner Gegner sieht, allen Anlaß hätte, sich zu fragen, ob nicht die Einstellung einer Asella und der zahlreichen anderen frommen Frauen bei der Beurteilung des Charakters viel wuchtiger in die Waagschale fallen müßte.
Contra Ruf. III 22 (M PL XXIII 494). ↩
Er schrieb ein verlorengegangenes Werk über die Jungfräulichkeit. Auch hatte sich seine Schwester Irene, die kaum zwanzigjährig starb, dem jungfräulichen Leben geweiht. ↩
Cavallera (I 117; II 86 ff.) vermutet sogar, daß der ganze Fragenkomplex einer Art Synode, die mehr oder weniger offiziös war, unterbreitet werden sollte. ↩
Ep. 24 ad Marcellam (BKV II. Reihe XVI 118 ff.). ↩
