4.
O du häßlicher Neid, der du dich selbst zuerst zerfleischest! O du abscheuliche Teufelslist, die du stets das Heilige verfolgst! Unter allen römischen Frauen wurden allein Paula und Melanium 1 Zielscheibe des Klatsches, die ihr Vermögen hingaben und ihre Kinder verließen, um das Kreuz des Herrn wie ein Bannerzeichen ihrer frommen Gesinnung aufzupflanzen. Wenn sie Bajae 2 besucht, auf die Wahl ihrer Parfüms viel Zeit verwendet, wenn sie Reichtum und Witwenstand zu S. b107 einer üppigen und zügellosen Lebensführung ausgenutzt hätten, dann wären sie vornehme Damen und Heilige. Jetzt heißt es; Bußsack und Asche 3 sollen nur ihre Schönheit hervorheben; mitsamt ihrem Fasten und der Vernachlässigung ihres äußeren Menschen steigen sie ins Feuer der Hölle hinab. Als ob es nicht bequemer wäre, sich vom Volke beweihräuchern zu lassen und mit der großen Menge ins ewige Verderben zu gehen! Wenn es noch Heiden wären, die an ihrem Leben herumnörgelten, oder Juden, dann hätten sie wenigstens den Trost, denen zu mißfallen, denen auch Christus missfällt. Jetzt aber, wie abscheulich, sind es Christenmenschen, die, anstatt sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, den Balken im eigenen Auge übersehen, dafür aber um so eifriger den Splitter im Auge des Nächsten suchen. 4 Sie lästern den heiligen Entschluß und meinen, für die Strafe, die ihrer harrt, darin eine Beruhigung zu finden, daß keiner heilig sein soll, daß man alle schlecht macht, daß man die Zahl der Verdammten und die Menge der Sünder als recht groß hinstellt.
Vgl. BKV II. Reihe XVI 6 Anm. 3. Näheres zu dem Klatsch über Melanium enthält wohl ep. 54, 13 ad Furiam (BKV II. Reihe XVI 162). ↩
Von den Römern vielbesuchter Badeort in Kampanien zwischen Misenum und Puteoli. Als Stätte des lockeren und ungebundenen Lebens stand er nicht im besten Rufe. ↩
Esth. 4, 3. ↩
Matth. 7, 3 ff. ↩
