2.
Also ich bin ein lasterhafter Mensch, ich bin ein gerissener Heuchler und Betrüger; ich bin ein Lügner und arbeite mit teuflischem Blendwerk. Was ist nun klüger, solche Dinge von Unschuldigen zu glauben, viel leicht gar über sie zu erdichten, oder solche Anklagen zurückzuweisen, selbst wenn es sich um einen schuldhaften Menschen handelt? Manche küßten mir die Hände, aber ihre Natterzunge erging sich in Verleumdungen gegen mich. Ihre Lippen sprachen Worte des Bedauerns, im Innern freilich waren sie voller Freude. Aber der Herr sah sie und spottete ihrer; 1 und mich seinen armen Knecht, hat er zusammen mit ihnen einem zukünftigen Gerichte vorbehalten. 2 Der eine tadelte meinen Gang und mein Lachen, ein anderer hatte etwas S. b105 an meinem Gesichtsausdruck auszusetzen, eine dritte verdächtigte meine einfache Lebenshaltung. — Beinahe drei Jahre habe ich mit ihnen 3 zusammen gelebt. Gar manches Mal hat sich eine größere Anzahl von Jungfrauen um mich versammelt. Des öfteren erklärte ich einigen aus ihnen, so gut ich es vermochte, die göttlichen Bücher. Die gemeinsame Lesung führte zu wiederholtem Zusammensein, und daraus entwickelte sich ein engeres Freundschafts- und Vertrauensverhältnis. Haben sie etwa an mir etwas bemerkt, was sich für einen Christen nicht geziemt, dann heraus mit der Sprache! Habe ich von jemandem Geld angenommen? War ich auf kleinere oder größere Geschenke erpicht? Klang in meiner Hand anderer Leute Gold oder Silber? Habe ich zweideutige Reden geführt, meinen Blick frech umherschweifen lassen? Das einzige, was man mir vorwirft, ist, daß ich ein Mann bin, und das tut man auch erst jetzt, wo Paula sich zur Reise nach Jerusalem rüstet. 4 Ich kann verstehen, daß meine Gegner einem Lügner glaubten. Aber warum wollen sie ihm jetzt nicht glauben, wo er widerruft? Es ist doch der gleiche Mensch, der er früher war. Er legt für meine Unschuld Zeugnis ab, nachdem er mich früher angeklagt hat. Sicher redet einer, der von Qualen gefoltert wird, eher die Wahrheit als einer, der in lustiger Gesellschaft weilt. 5 Aber man glaubt ja allzu leicht, was erfunden wird, weil man es gerne hört. Und ist es noch nicht erfunden, dann bohrt man so lange, bis die Verleumdung glücklich da ist.
Ps. 2, 4. ↩
Apg. 24, 25. ↩
Cavallera (I 85) bezieht „cum eis“ auf Marcella, ihre Mutter Albina und die Jungfrau Asella, die zusammen auf dem Aventin wohnten. ↩
Paula und Eustochium reisten von Rom ab, ehe Hieronymus am Ziele war. Sie trafen sich mit ihm in Salamis auf Cypern oder in Antiochia. ↩
Der Verleumder, der später, vielleicht unter dem Druck eines gerichtlichen Verfahrens oder in Tagen der Krankheit (tormenta), widerrief, ist unbekannt. ↩
