3.
Ehe ich das Haus der heiligen Paula kennenlernte, war ganz Rom meines Lobes voll. Fast allgemein hielt man mich des höchsten geistlichen Amtes würdig. Der selige Papst Damasus tat nichts ohne mich. Man pries mich als heilig, demütig und redegewandt. Ja, habe ich denn das Haus einer Lebedame besucht? Trug ich seidene Kleider und funkelnde Edelsteine? Schminkte ich mein Gesicht? War ich dem Goldhunger verfallen? — Keine unter den römischen Frauen konnte mein Herz erobern. Nur sie soll es erreicht haben, die ein Leben der Buße und Abtötung führte und nur Nonnenkleidung trug, deren Augen vom vielen Weinen beinahe erblindet waren? Sie, die ganze Nächte hindurch Gottes Barmherzigkeit herabflehte und hierbei des kommenden Tageslichtes kaum gewahr wurde? Sie, deren Lied die Psalmen, deren Wort das Evangelium, deren Freude die Enthaltsamkeit und deren Leben Fasten war? Keine andere konnte mir Interesse abgewinnen als ausgerechnet Paula, die ich nicht ein einziges Mal essen sah? Als ich sie wegen ihrer Hochschätzung der Keuschheit zu achten, zu schätzen und zu verehren anfing, da sind mit einem Mal sämtliche Tugenden von mir gewichen?
