8.
Von meinem Bruder Paulinianus behauptet Johannes, daß bei ihm die Ursache des Zerwürfnisses zu suchen sei. Dabei lebt dieser ruhig in seiner Klosterzelle und sieht im geistlichen Stande viel mehr eine Bürde als eine Würde. Uns hat dieser Heuchler bis zum heutigen Tage mit Versicherungen seiner friedlichen Gesinnung zum besten gehalten, während er der abendländischen Geistlichkeit ständig mit der Behauptung in den Ohren liegt, daß Paulinianus, ein Jüngling, ja fast noch ein Knabe, zu Bethlehem, das in seiner Diözese liegt, die Priesterweihe empfangen habe. Ob dies wahr ist, darüber wissen alle Bischöfe Palästinas Bescheid. Denn das Kloster des hl. Bischofs Epiphanius, Bekos Abacuc genannt, 1 in welchem mein Bruder zum Priester S. b414 geweiht wurde, liegt im Gebiete von Eleutheropolis, gehört also nicht zu dem von Jerusalem. Im übrigen ist sein Alter auch Deiner Heiligkeit bekannt. Ich glaube, daß keine Berechtigung zum Tadel vorliegt, wenn der Weihekandidat das dreißigste Lebensjahr erreicht hat, ein Lebensalter, welches durch das Geheimnis der Menschwerdung Christi als das vollkommene bezeichnet wird. 2 Johannes möge an das Gesetz des Alten Bundes denken, dem er entnehmen kann, daß die Angehörigen des Stammes Levi mit 25 Jahren in den priesterlichen Stand erhoben wurden. 3 Will er aber ausgerechnet in dieser Sache den hebräischen Urtext gelten lassen, dann findet er auch dort, daß der Levit mit 30 Jahren Priester wurde. 4 Sollte er sich aber auf das Bibelwort versteifen: „Das Alte ist dahingegangen, und alles ist neu gemacht worden“, 5 dann erinnere er sich daran, daß Paulus an Timotheus schreibt: „Deine Jugend soll niemand geringschätzen.“ 6 Als Timotheus zum Bischof geweiht wurde, war zwischen seinem und meines Bruders Alter sicher kein großer Unterschied. Johannes wird mir vielleicht antworten: „Bei einem Bischof verschlägt es nichts, wohl aber bei einem Presbyter, der dadurch mit seiner Amtsbezeichnung in Widerspruch treten würde.“ 7 Wie kommt aber dann Johannes dazu, jemanden des gleichen oder gar minderen Alters zum Priester zu weihen, dazu jemanden, der, was den Fall noch verschärft, ein kirchliches Amt in einer anderen Diözese versieht? Wenn er nun mit meinem Bruder nur Frieden halten kann, wenn dieser sich ihm unterwirft und seinem Weihebischof abtrünnig wird, so verrät er damit, daß er nicht nach Frieden strebt, wohl aber unter dem Vorwande des Friedens nach Rache. Nur dann wird er den anderen in Ruhe und in Frieden lassen, wenn er alles erreicht hat, wie er uns androht. Aber auch wenn S. b415 Johannes ihn geweiht hätte, würde mein Bruder als Freund der stillen Einsamkeit keine kirchlichen Amtshandlungen vornehmen und nichts tun, was den Frieden der Kirche stören könnte. Ohne weitere Verpflichtung würde mein Bruder ihm nur die Ehre erweisen, wie sie allen Priestern geschuldet wird.
