Einleitung
Noch war Asterius mit der ep. 102 nicht eingetroffen, als der Diakon Cyprian von Afrika nach dem Hl. Lande reiste. Diese Gelegenheit benutzt Augustinus, dem offenbar viel daran lag, keine Mißstimmung bei Hieronymus aufkommen zu lassen, um einen neuen Brief an ihn zu senden (ep. 104). Er deckt das ganze Mißgeschick auf, welches über den beiden Briefen (ep. 56 und 67) schwebte, und fügt sie in Abschrift jetzt bei. 1 Aber auch ein sachliches Interesse verursacht den neuen Brief. Die Bedenken wegen der Übersetzung aus dem Hebräischen machen Augustinus große Sorge, so daß er ihnen erneut Ausdruck verleiht. Für des Hieronymus Übersetzung der Evangelien findet er Worte der Anerkennung, aber er beschwört ihn, das Alte Testament doch nur aus der LXX, deren sich ja auch die Apostel bedient hätten, zu übertragen. Merkwürdig, daß der große Gelehrte sich hier als der Kleinere zeigt! Aber Augustinus lebt noch zu sehr in dem Gedanken an die Inspiration der LXX. Außerdem befürchtet er eine Entzweiung innerhalb der Christenheit. Entstehen Bedenken über die Berechtigung der einen oder anderen Lesart, sei man schließlich auf jüdische Gelehrte angewiesen, die dann eine zweifelhafte Rolle spielen, wie es sich im Falle des Bischofes von Oea 2 erwiesen habe. Dieser hatte das Buch Jonas in der neuen Übersetzung vorlesen lassen, in der Hieronymus die gewohnte Kürbisstaude durch einen Efeustrauch ersetzt hatte, was zu einem gewaltigen Tumult im Gotteshause führte. Schließlich mußte der Bischof, wenn er nicht ohne Gemeinde S. b427 bleiben wollte, nachgeben. Grützmacher (III 126) hält den vorliegenden Brief, der allgemein in das Jahr 403 verlegt wird, für des Hieronymus Antwort auf ep. 101 und 104. Dies kann keineswegs stimmen, soweit es sich um letzteren Brief handelt. Seine Vermutung scheitert an folgender Feststellung: Cyprian hat die ominösen Briefe 56 und 67 im Auftrage Augustins bei Überbringung der ep. 104 mit übergeben. Dies schließt aus, daß Hieronymus in seiner Antwort nochmals fordern könnte, den Brief 67 ihm mit Namensschrift zuzusenden, die strittige Schrift zu verleugnen, falls er nicht der Verfasser sei, oder freimütig zu gestehen, daß der Brief von ihm herrühre. Die ep. 105 muß also schon unterwegs gewesen sein, als ep. 104 in Bethlehem ankam. Eher wäre damit zu rechnen, daß der vorliegende Brief die Antwort auf das verlorengegangene Schreiben Augustins bildet, 3 falls für ein solches überhaupt Raum ist. Man darf wohl die Vermutung hegen, daß die Korrespondenz zwischen Afrika und Bethlehem nicht immer so glatt sich ermöglichen ließ. Ist doch die ep. 110 erst die Antwort auf ep. 102, obwohl Augustinus ohne Zweifel der interessiertere und regere Briefschreiber war.
Ep. 105 vermeidet wieder jedes Eingehen auf das Sachliche. Um so mehr legt sie Zeugnis ab von der Erbitterung, die in Bethlehem herrschte wegen der Verbreitung der ep. 67 in Italien, während die ep. 102 die ganze Angelegenheit mehr geringschätzig behandelt hatte. Fast erweckt es den Anschein, als ob Hieronymus der Erklärung Augustins mit Zweifeln gegenüberstehe. Es fehlt nicht an scharfen Hieben, die im Nachsatz vielfach wieder gemildert werden. Immerhin war Augustinus ein Mann von Bedeutung, mit dem es auch Bethlehem nicht zu einem Verhältnis kommen lassen will ähnlich dem zu Rufin. Darum trotz allem stets wieder die Versicherung seiner Zuneigung und Liebe. Freilich kann Hieronymus sich am Schlusse die ironische Bemerkung, nächstens dafür zu sorgen, daß er zuerst die an ihn gerichteten Briefe erhalte, nicht verbeißen. S. b428
