Elfter Artikel. Die Klugheit für die eigene Person ist der Gattung des Zustandes nach verschieden von der Klugheit für das Gemeinbeste.
a) Das wird nicht zugegeben. Denn: I. Aristoteles sagt (6 Ethic. 8.): „Die Politik und die Klugheit bedeuten dem Zustande nach dasselbe; ihr thatsächliches Sein oder Wirken aber ist nicht für beide das gleiche.“ II. 3 Polit. 3. sagt der nämliche Philosoph: „Die Tugend eines guten Menschen und die eines guten Fürsten ist die gleiche.“ III. Wenn das Eine zum Anderen hingeordnet ist, so entsteht daraus keine Verschiedenheit in der Wesensgattung des Zustandes. Das Privatbeste aber ist hingeordnet zum Gemeinbesten. Also ist da kein Grund vorhanden, die Klugheit schlechthin der Gattung nach zu unterscheiden von der „öffentlichen“ oder „politischen“ Klugheit. Auf der anderen Seite sind es verschiedene Wissenschaften der Gattung nach: jene, die auf das Gemeinbeste sich bezieht, die politische; und jene, welche auf das Beste der Familie sich richtet, die ökonomische; und jene, welche das Beste des einzelnen zum Gegenstande hat, die moralische. Also gemäß der Verschiedenheit in diesen Gegenständen ist verschieden auch die entsprechende Klugheit.
b) Ich antworte, der verschiedene formale Gesichtspunkt, unter welchem ein Gegenstand betrachtet wird, verändere den Wesenscharakter der betreffenden Zustände. Nun wird der formale Gesichtspunkt in allem Zweckdienlichen hergenommen vom Zwecke. Also von der verschiedenen maßgebenden Beziehung zum Zwecke aus werden in den Zuständen Gattungsunterschiede hergestellt. Im Zwecke aber ist eine Verschiedenheit vorhanden, je nachdem das Gute der eigenen Person oder der Familie oder des Staates in Betracht kommt. Also besteht auch demgemäß ein Wesensunterschied in den Zuständen der Klugheit, so daß der eine Zustand ist schlechthin die Klugheit, welche zum Zwecke hat das Privatbeste; der andere die ökonomische oder die gesellschaftliche Klugheit, deren Zweck das Familienbeste ist; der dritte die politische oder staatliche Klugheit, die sich dem Besten des Staates zuwendet.
c) I. Aristoteles sagt da, die politische Wissenschaft sei ein und dasselbe, nicht mit der Klugheit schlechthin dem Zustande nach sondern mit der auf das Gemeinbeste gerichteten Klugheit; sie heißt auf das Privatbeste gerichtet einfach und ohne Zusatz Klugheit, und auf das Staatsbeste gerichtet heißt sie Politik oder politische Klugheit. II. „Sache des guten Menschen ist es, ein guter Fürst zu sein oder ein guter Unterthan,“ sagt Aristoteles. Also ist in der Tugend des guten Menschen eingeschlossen die eines guten Fürsten. Sonst ist die Fürstentugend von der des Unterthanen der Gattung nach verschieden, wie l. c. gesagt wird. III. Auch wenn verschiedene Zweckrichtungen zu einander geordnete Beziehung haben, begründen sie einen Wesensunterschied in den Zuständen; wie die Militärwissenschaft der Gattung nach verschieden ist von der politischen, aber zu dieser in Beziehung steht. So ist das Privatbeste hingeordnet zum Gemeinbesten; dies hindert aber nicht, daß die bestehende Verschiedenheit dazwischen einen Wesensunterschied in der Gattung des Zustandes der Klugheit bedingt. Daraus folgt nur, daß jener Zustand, dessen Gegenstand der letzte und hauptsächliche Zweck ist, auch als der hauptsächliche dasteht und den übrigen vorschreibt.
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