1.
Ich bin voll unzähliger Vergehen und bar der Tugenden in meinem Leben, ohne gute Werke, ohne Gerechtigkeit, ja ich häufe noch jeden Tag Sünde auf Sünde, welche mich elend zugrunde richten. Kann aber jemand, den die Nacht vieler Sünden ganz umhüllt und der verfinstert ist durch ein Leben der Ungerechtigkeit, es wagen, andere zu erleuchten, oder sich unterfangen, andere zu heilen, während er selber sündenkrank ist? Gar sehr verwegen ist es, wenn Leute, die selber mit Sünden überladen sind, sich erkühnen, andere zu erleichtern, oder wenn solche, die von Sinnen sind, begehren, anderer Lehrer zu sein, oder wie sollte auch jemand andere zu leiten vermögen, wenn er selber ratlos im Unrecht verstrickt ist? Aber weil die göttliche Liebe auch in den Schwachen stark ist, darum wagt sie (es) im Interesse der Erlösung u nd bemüht sich, durch enge und schmale Öffnungen einzutreten zu Nutz und Frommen der Hörer, zu sehen die Kraft des Wortes Gottes: „Komme, führe zurück deinen Bruder, damit dir deine Sünden nachgelassen werden.“ „Denn“, S. 124 so heißt es, „wer sich bemüht, eine verirrte Seele zurückzuführen, der tilgt die Menge seiner Sünden1, und wer den Edeln aus der Schmach befreit, wird ‚Mund Gottes’ genannt2.“ Denn es ist sehr nützlich und vorteilhaft und gar notwendig, sich darum zu bemühen und den Versuch zur Rettung der Nebenmenschen zu machen.
