28.
So dachte ich früher und rief ich früher zu Gott. Wie habe ich aber nunmehr meine Stimme geändert! Jetzt weine ich über den Untergang der Gottlosen, habe Mitleid mit den Feinden und sage: „Wie sind sie geworden zur Einsamkeit! Plötzlich sind sie dahingesunken, sind ihrer Sünden wegen zugrundegegangen1, sind geworden wie der Sand, den der Orkan erfaßt, wie der Staub, der vom Winde fortgetragen wird2, wie der S. 179 Morgentau, wie das Schwirren des abgeschossenen Pfeiles, wie der gewaltige Donner, wie der leuchtende Blitz!“ Wenn sie nun ihre Gesinnung ändern, von ihrem vielen Irrtum und ihrer vielen Unbesonnenheit lassen, und dafür den Weg der Wahrheit wandeln, so haben sie doch wohl Gewinn von ihrem Sturze. Züchtigung ist ja oft für die Betroffenen ein Vorteil. Würden sie aber bei ihrer alten Lehre verharren und weiterhin an den Götzen festhalten, so würden sie nicht einmal im Unglück, wo selbst Einfältige sich belehren lassen, vernünftiger werden. Jeremias hatte so sehr über Jerusalem geweint, daß er selbst den leblosen Dingen befahl, zu weinen und die Mauern aufforderte, zu klagen. Welche Klagen aber könnten genügen anläßlich der jetzigen Erlebnisse? Oder wer könnte über die Gegenwart weinen, ohne zu klagen über die bevorstehenden Strafen dafür, daß sie töricht gehandelt hatten, abgewichen waren und „dem Geschöpfe mehr gedient hatten als dem Schöpfer3“, ja sich auch gegen die, welche Gott dienten, erhoben und wider sie ihre sündhafte, solcher Strafe würdige Hand ausgestreckt hatten?
