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Doch lassen wir diese, wie gesagt, beiseite, da schon die Schrift dieselben abgewiesen hat mit den Worten: „Ihr unverständiges Herz ist eitel geworden; wenn sie behaupten, sie seien weise, sind sie Toren. Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes haben sie vertauscht1“, indem sie mit nebelhaften Sagen die alles beherrschende Vorsehung entehrten. Wir aber wollen weder selber solche wunderliche Dinge ersinnen, sofern wir als vernünftige Wesen und Verehrer der Vernunft für Logik Verständnis haben, noch wollen wir den Glauben jener Leute annehmen, mag auch ihre Zunge die albernen Behauptungen und Lehren recht geschickt darstellen und durch die Neuheit anziehend wirken. Wir wollen vielmehr glauben, daß der, welcher alles geschaffen und gemacht hat, Gott ist. Wie könnte denn das S. 302 Weltall bestehen, wenn nicht einer ist, der ihm Sein und Ordnung verliehen hat? Wir wollen auch an eine Vorsehung glauben, welche dieses Weltall zusammenhält und vereint; denn der Schöpfer muß für seine Werke sorgen. Sollte aber das Weltall von blindem Zufall getragen werden, dann würde es, da der Materie die Ordnung fehlt, gleich einem vom Sturm erfaßten Schiffe sofort in Trümmer zerfallen und ins alte Tohuwabohu zurückkehren. Wir wollen daran festhalten, daß vor allem unser Leben von unserem Schöpfer oder ― wenn dir der Ausdruck lieber ist ― von unserem Bildner geleitet wird, mag auch unser Leben durch Gegensätze gehen, welche uns vielleicht deshalb unverständlich bleiben, damit uns unsere Unkenntnis zur Bewunderung der höchsten Weisheit führe. Denn alles, was leicht erfaßt wird, wird leicht verachtet, während das, was über uns ist, um so mehr Bewunderung findet, je schwerer es zu erreichen ist, und all das, was sich unserem Verlangen entzieht, die Sehnsucht weckt2.
Röm. 1, 21 f. ↩
Gregor von Nyssa schrieb in „Leben des Moses“ (Migne, P. gr. 44, 404 D): „Darin besteht tatsächlich das Schauen Gottes, daß wir niemals eine Befriedigung unserer Sehnsucht finden“ (τοῦτό ἐστιν ὄντως τὸ ἰδεῖν τὸν θεόν, τὸ μηδέποτε τῆς ἐπιθυμίας κόρον εὑρεῖν) [touto estin ontōs to idein ton theon, to mēdepote tēs epithymias koron heurein]. Zu diesen Worten bemerkt K. Holl, „Amphilochius von Ikonium (Tübg. und Leipzig 1904) S. 207: „An diesem Punkte enthüllt sich das Innerste der Vorstellung Gregors von der Seligkeit. Seligkeit ist ihm das Hochgefühl, in der Einheit mit Gott ins Unendliche zu wachsen. In dieser Stimmung ist Gregor mit Origenes einig. Aber es ist auch einer der letzten, wo nicht der letzte, der diese jugendfrische Empfindung vertritt. Bald genug kam die Zeit, wo man in der Seligkeit nur Ruhe, nichts als Ruhe begehrte.“ ↩
