10. Cap. Fortsetzung und Schluss dieses Arguments.
S. 70 Und, gesetzt, die Materie wäre ganz gut gewesen, hätte er es dann seiner nicht für ebenso unwürdig halten müssen, aus fremdem Eigentum zu schaffen, auch wenn es gut war? Es war also thöricht genug von ihm, zu seinem Ruhme die Welt zu schaffen und sich dadurch als Entleiher fremden Eigentums zu offenbaren, und noch dazu eines nicht guten. Dagegen, fragt Hermogenes nun, sollte er denn etwa lieber aus nichts erschaffen, und sich damit auch das Schlechte auf Rechnung seines Willens setzen lassen? — Gross ist, meiner Treu, die Kurzsichtigkeit der Häretiker bei solcher Argumentation, wenn sie verlangen, man solle darum, weil sie den Schöpfergott für den Urheber des Bösen halten, noch einen zweiten, bloss guten und trefflichen Gott annehmen, oder die Materie neben den Schöpfer stellen, um das Böse von der Materie, nicht vom Schöpfer ableiten zu können. Bei jedem denkbaren Gott würde sich diese Schwierigkeit immer wieder einstellen, dass er, wer er auch immer sei, als Urheber des Bösen erscheinen kann. Denn wenn er auch das Böse nicht selbst bewirkt hat, so hat er doch dessen Entstehung geduldet, mag es nun kommen, von wem und woher es will. Es möge sich also, da wir über das Wesen des Bösen anderswo aburteilen, auch Hermogenes gesagt sein lassen, dass er auch mit diesem seinem Einfall noch gar nichts ausgerichtet hat. Denn siehe, wenn Gott auch nicht die Ursache des Bösen ist, so steht er doch als derjenige da, der es gutgeheissen hat, indem er die bösen Eigenschaften der Materie, die er als der Gute und als der Feind des Bösen hätte beseitigen sollen, vor der Erschaffung der Welt trotz seiner so grossen Güte ertragen hat. Entweder war er imstande, sie zu bessern und wollte es nicht, oder er wollte es wohl, konnte es aber nicht, der machtlose Gott. Wenn er es konnte und nicht wollte, so ist er selber schlecht, da er das Böse begünstigt, und so gilt, was er zwar nicht hervorgerufen hat, von dessen Dasein er aber doch die Ursache ist, weil es, wenn er nicht gewollt hätte, nicht vorhanden wäre, dennoch als das Seinige,1 indem er sein Dasein nicht verhinderte. Was kann es erbärmlicheres geben!?
Wenn er das Dasein dessen wollte, was er selber nicht schaffen wollte, so handelte er damit gegen sich selbst. Denn einerseits wollte er das Dasein dessen, was er nicht erschaffen wollte, andererseits wollte er das nicht erschaffen, dessen Dasein er doch wollte. Er wollte sein Dasein, als wäre es gut, und es doch nicht erschaffen, als wäre es böse. Indem er es nicht erschuf, sprach er das Urteil, es sei böse, indem er es duldete, hat er es für gut erklärt. Indem er das Böse, als wäre es gut, duldete, anstatt es zu vernichten, steht er als dessen Begünstiger da. Geschah dies von ihm freiwillig, so ist es ein Schimpf für ihn, geschah es aus Zwang, S. 71 so ist das erbärmlich. Gott wäre dann also entweder der Diener des Bösen oder dessen Gönner; denn er befasste sich mit der Bosheit der Materie oder vielmehr er schuf sogar aus ihrer Schlechtigkeit etwas.
Öhler setzt statt ejus willkürlich reus, auch das folgende quia stört den Sinn und Zusammenhang. ↩
