38. Cap. Er weist ihr einen Raum und räumliche Grenzen an, was ihn ebenfalls zu Widersprüchen mit sich selbst führt.
Hinsichtlich der Lage der Materie lehre ich wie über ihre Bewegung,1 um deine verkehrten Ansichten zu beschämen. Du lässest die Materie unterhalb Gottes gelegen sein und gibst ihr den unterhalb S. 95 Gottes befindlichen Raum. Folglich befindet sich die Materie an einem Orte. Befindet sie sich an einem Orte, so ist sie auch in denselben eingeschlossen; ist sie in denselben eingeschlossen, so wird sie von ihm begrenzt; wird sie von ihm begrenzt, so hat sie eine Grenzlinie; die Grenzlinie aber bildet — da Du eigentlich Maler bist, musst Du dies einsehen — jedesmal das Ende des Gegenstandes, dessen Grenzlinie sie ist. Die Materie wäre also nicht unendlich; denn da sie sich an einem Orte befindet, so wird sie von ihm begrenzt, und da sie von ihm begrenzt wird, so hat er einen Endpunkt. Indessen Du machst sie zu etwas Unendlichem und sagst: „Unendlich aber ist sie dadurch, dass sie immer existiert.” Und wenn einer von Deinen Schülern daran deuteln wollte, so willst Du es so verstanden haben, sie sei der Zeit nach unendlich, nicht nach Art eines Körpers. Allein, dass sie weil ihrem Körper nach unermesslich und in räumlicher Weise unbegrenzt unendlich sein soll, das beweisen die folgenden Worte. „Darum wird sie”, sagst Du, „nicht in ihrer Ganzheit, sondern nur ihren Teilen nach verfertigt.” Folglich ist sie dem Raume nach unendlich, nicht der Zeit nach. Du bist also dessen überführt, sie zu etwas räumlich Unendlichem gemacht zu haben; denn Du weisest ihr einen Platz an und schliessest sie in diesen Platz und dessen äusserste Grenzlinien ein. Weshalb Gott sie aber nicht in ihrer Gesamtheit gebildet haben sollte, sehe ich nicht ein; es müsste denn sein, dass er zu schwach dazu oder unlustig war. Ich frage also, wo ist die andere Hälfte des Dinges, welches nicht ganz hergestellt wurde, um zu erfahren, wie sie in ihrer Vollständigkeit aussieht. Denn Gott hätte sie entsprechend den Vorgängen in alter Zeit zur Ehre seines Wirkens offenbar machen müssen.
Die Handschriften haben nach Öhler zwar modo, dem Zusammenhang aber entspricht allein motu. ↩
