8. Cap. Wenn Gott zu seiner Schöpfung ihrer bedurfte, so ist er von ihr abhängig.
Noch mehr, er stellt sie sogar über Gott und ordnet Gott der Materie unter, da er behauptet, derselbe habe alles aus der Materie gemacht. Wenn er sich nämlich eines Teiles derselben bedient hat zu den Werken der Schöpfung, so steht die Materie, die ihm den Stoff zum Schaffen lieferte, schon über ihm und Gott erscheint der Materie, deren Substanz er bedurfte, als untergeordnet. Denn wessen Sachen man sich bedient, den hat man nötig. Jeder aber ist von dem abhängig, dessen Sachen er bedarf, um sich ihrer zu bedienen. So steht auch jeder, der es zugibt, dass man sich seiner Sachen bediene, in dieser Hinsicht über demjenigen, dem er den Gebrauch gestattet. Die Materie ihrerseits bedarf Gottes also nicht; sie gibt sich aber Gott, der ihrer bedarf, hin. Sie ist reich, besitzend und generös gegen ihn, der, wie mir scheint, gering, ohnmächtig und nicht imstande ist, aus nichts seine beabsichtigte Schöpfung S. 69 ins Werk zu setzen. Sie hat in der That Gott die grosse Wohlthat erwiesen, dass er jetzt etwas hat, woraus man seine Gottheit erkennt und weswegen man ihn allmächtig genannt hat. Leider ist er schon nicht mehr allmächtig, wenn er nicht auch mächtig genug ist, alles aus nichts hervorzubringen. Allerdings hat die Materie dabei sich selbst auch einen Dienst erwiesen, nämlich den, dass sie nun in Gemeinschaft mit Gott erkannt werden kann, als gleich alt mit Gott, ja sogar als sein Beistand. Schade nur, dass sie dem Hermogenes und den Philosophen, den Stammvätern der Häresien, allein bekannt ist; den Propheten und den Aposteln blieb sie noch immer verborgen, Christo vermutlich auch.
