44. Cap. Der Akt des Schaffens soll nach Hermogenes so vor sich gegangen sein, dass Gott sich räumlich der Materie genähert habe.
Es wäre nun an der Zeit, auch die Art und Weise darzulegen, wie Du Dir Gottes Wirksamkeit denkst. Du entfernst Dich dabei allerdings von den Philosophen, aber auch von den Propheten. Denn die Stoiker lehren, Gott sei durch die Materie durchgegangen wie der Honig durch die Waben. Du aber sagst: „Nein, nicht hindurchgehend schuf er die Welt, S. 99 sondern durch seine blosse Erscheinung und Annäherung an sie; auch der Magnetstein nähert sich bloss.” Aber was für eine Ähnlichkeit besteht zwischen dem weltbildenden Gott und der das Herz verwundenden Schönheit oder dem das Eisen anziehenden Magnet? Gesetzt auch, Gott habe sich der Welt genähert, so hat er sie doch nicht verwundet, wie die Schönheit das Herz; und hat er sich ihr genähert, so hing er doch nicht mit ihr zusammen, wie der Magnet mit dem Eisen. Doch bleibe bei deinem Glauben, deine Beispiele seien zutreffend. Wenn Gott wirklich die Welt dadurch schuf, dass er der Materie erschien und sich ihr näherte, so hat er sie jedenfalls erst von dem Augenblick an geschaffen, wo er ihr erschien und sich ihr näherte. Mithin, weil er sie nicht früher geschaffen hat, so hatte er sich ihr auch noch nicht genähert und war ihr noch nicht erschienen.
Wer wird es aber glaublich finden, dass Gott der Materie noch nicht erschienen sei, die in gewisser Beziehung sogar mit ihm von gleichem Wesen war infolge ihres ewigen Seins? dass er ihr ferngeblieben sei, er, der, wie wir glauben, überall ist und überall erscheint und dem nach Daniel auch die leblosen und körperlosen Dinge lobsingen?1 Wie gross ist jener Raum, um welchen Gott von der Materie fern blieb, dass er ihr nicht zu erscheinen und näherzutreten vermochte vor der Weltschöpfung? Vermutlich ist er, als er ihr erscheinen und nähertreten wollte, erst aus weiter Ferne zu ihr hingewandert.
Dan. 3, 21. ↩
