12. Die Reinheit des Fleisches kann ohne die Reinheit des Herzens nicht erreicht werden.
Gott, der Schöpfer und Urheber des Menschengeschlechtes, kannte vor Allen die Natur seines Werkes sowie die Art und Weise seiner Verbesserung und war deßhalb auf die Heilung jenes Gegenstandes bedacht, den er als die Hauptquelle der Krankheit erkannte. „Wer immer“, sagt er,1 „ein Weib anschaut, um sie zu begehren, hat im Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen.“ Indem der Heiland die vorwitzigen Augen tadelte, hat er nicht so sehr sie angeklagt, als jenen inneren Sinn, der ihre Sehkraft mißbraucht. Denn das Herz ist krank und vom Pfeile der Wollust verwundet, das schaut, um Verbotenes zu begehren. Die Wohlthat des Sehens, die der Schöpfer dem Auge in rechter Weise S. 143 verliehen, mißbraucht das Herz in seiner Verdorbenheit zur Ausführung böser Werke und weckt die in sich schlummernde Krankheit der Wollust durch das Anschauen. Deßhalb ergeht das heilsame Gebot an das Herz, aus dessen Verdorbenheit die gar schlimme Krankheit bei dem verbotenen Blicke hervorgeht. Denn nicht heißt es: „Mit aller Wachsamkeit bewahre deine Augen,“ die man gewiß zu allererst bewachen müßte, wenn aus ihnen die Wollust hervorginge und sie nicht der Seele nur den einfachen Dienst des Sehens leisteten, sondern es heißt:2 „Mit aller Wachsamkeit bewahre dein Herz!“ Darum wird ihm das Heilmittel verordnet, weil es überall den Dienst der Augen mißbrauchen kann.
