7.
Es wäre töricht, von einer Stadt zu reden, deren Länge und Breite gleich der Höhe ist und diese Entfernungen mit zwölftausend Stadien anzusetzen. 1 Deshalb kann diese Stelle in ihren Einzelheiten nicht buchstäblich, sondern nur geistig aufzufassen sein. Unter der großen Stadt, die vor Zeiten Kain erbaute und nach seinem Sohne benannte, 2 ist diese Welt zu verstehen, die der Teufel, der Ankläger seiner Brüder, 3 und der dem Verderben geweihte Brudermörder aus Lastern aufbaute, auf Verbrechen gründete und mit Ungerechtigkeit erfüllte. Das ist die Stadt, die geistigerweise Sodoma und Ägypten genannt wird. 4 Von diesem Sodoma steht geschrieben: „Sodoma wird wieder in seinem alten Zustand hergestellt werden.“ 5 Denn die Welt muß wieder so hergestellt werden, wie sie einstmals gewesen ist. 6 Wir können doch nicht glauben, daß Sodoma und die anderen Städte, nämlich Gomorra, Adama und Seboim, die in ewige Asche versunken sind, 7 jemals wieder S. 303 aufgebaut werden. Ägypten aber ist niemals eine Bezeichnung für Jerusalem, sondern immer nur für diese Welt. Es würde zu weit führen, eine Unmenge von Schriftstellen zusammenzutragen. Deshalb will ich mich mit einem Zeugnis begnügen, aus dem sich ganz einwandfrei ergibt, daß diese Welt Ägypten genannt wird. Im katholischen Briefe schreibt der Apostel Judas, des Jakobus Bruder: „Ich will euch aber, obwohl ihr schon alles wisset, daran erinnern, daß Jesus, nachdem er sein Volk aus dem Lande Ägypten errettet, dieses Volk, als es zum zweiten Male ungläubig wurde, ins Verderben gestürzt hat.“ 8 Damit man aber nicht auf den Gedanken kommt, es sei hier von Jesus, 9 dem Sohne Nuns, die Rede, geht es sofort weiter: „Die Engel aber, welche ihre Würde nicht bewahrten, sondern ihren Wohnsitz verließen, hat er auf das Gericht des großen Tages mit ewigen Banden in der Finsternis sich aufbewahrt.“ 10 Damit wir uns aber überzeugen, daß überall dort, wo sich Ägypten, Sodoma und Gomorra zusammen genannt finden, nicht diese Örtlichkeiten gemeint sind, sondern diese Welt, führt er sie selbst als Beispiel an. Fährt er doch fort: „Wie Sodoma und Gomorra und die umliegenden Städte, die auf gleiche Weise der Unzucht frönten und widernatürlicher Wollust sich hingaben, zum Beispiel geworden sind, indem sie die Strafe ewigen Feuers erdulden.“ 11 Es lohnt sich nicht, noch weitere Stellen aufzusuchen, da der Evangelist Matthäus nach dem Leiden und der Auferstehung des Herrn erwähnt: „Felsen spalteten sich, Gräber öffneten sich, und viele Leichname der entschlafenen Gerechten standen auf. Sie kamen nach seiner Auferstehung aus den Gräbern hervor und kamen in die Heilige Stadt, wo sie vielen erschienen.“ 12 Hier ist keineswegs an das himmlische Jerusalem 13 zu denken, wie es törichterweise sehr viele S. 304 tun. 14 Denn es wäre vor den Menschen kein Beweis für die Auferstehung des Herrn gewesen, wenn sich die Leiber der Gerechten im himmlischen Jerusalem gezeigt hätten. Wenn nun die Evangelisten mit der gesamten Heiligen Schrift Jerusalem die Heilige Stadt nennen, wenn ferner der Psalmist gebietet, dort anzubeten, wo seine Füße gestanden haben, 15 dann hüte Dich, die Stadt, bei der der Herr zu schwören verbietet, weil sie die Stadt des großen Königs ist, 16 Sodoma oder Ägypten zu nennen.
Ebd. 21, 16. ↩
Gen. 4, 17. ↩
Offenb. 12, 10. ↩
Ebd. 11, 8. ↩
Ezech. 16, 55. ↩
Hieronymus vertritt hier noch im Anschluß an Origenes die Lehre von der ἀποκατάστασις πάντων. ↩
Deut. 29, 23. ↩
Jud. 5. ↩
Josue. ↩
Jud. 6. ↩
Ebd. 7. ↩
Matth. 27, 51 ff. ↩
Hebr. 12, 22. ↩
Hierzu gehören Origenes, Rufin, Hilarius. Die beanstandete Auffassung findet sich übrigens, und zwar in einem späteren Briefe, von Hieronymus selbst vertreten. (Ep. 60, 3 ad Heliodorum). ↩
Ps. 131, 7. ↩
Matth. 5, 35. ↩
