13.
Doch was tun wir? Wir denken ja nur noch an das, was wir wünschen, und vergessen ganz, was sich geziemt. Oh, wenn doch der Augenblick käme, in dem ein Bote außer Atem die Nachricht brächte, unsere Marcella ist an Palästinas Gestade gelandet! Alle Chöre der Mönche und Jungfrauen möchten darob in laute Freudenrufe ausbrechen. Es drängt uns, Dir entgegenzueilen. Wir würden keinen Wagen abwarten, sondern in freudiger Hast zu Fuß Dir entgegenkommen. Wir werden Dich an der Hand nehmen, in das geliebte Gesicht blicken und uns kaum aus der lang ersehnten Umarmung freimachen können. Wird er also kommen, der Tag, an dem wir zusammen die Höhle des Erlösers betreten? Werden wir zusammen mit unserer Schwester und Mutter im Grabe des Herrn weinen? Werden wir gemeinsam das Holz des Kreuzes küssen und auf dem Ölberge mit dem zum Himmel sich erhebenden Herrn 1 in Gedanken und Sehnsucht uns mit erheben? Werden wir den Lazarus schauen, wie er behindert von seinen Binden aus dem Grabe hervorkommt? 2 Werden wir des Jordans Fluten besuchen, die durch des Herrn Taufe noch reiner geworden sind? 3 Werden wir zu den Ställen der Hirten gehen, 4 im Grabe Davids beten, 5 den Felsen uns ansehen, auf dem auch jetzt noch der Prophet Amos auf seiner Hirtenflöte bläst? 6 Werden wir hineilen zu den Zelten und den Grabstätten Abrahams, Isaaks und Jakobs und ihrer drei Frauen, die uns aus S. 310 der heiligen Geschichte bekannt sind? 7 Werden wir die Quelle betrachten, in welcher der Eunuch von Philippus getauft wurde? 8 Werden wir bis Samaria vordringen, um dort der Asche Johannes des Täufers sowie der Propheten Elisäus und Abdias unsere Verehrung zu entbieten? 9 Werden wir hineingehen in die Höhle, in welcher zur Zeit der Verfolgung und der Hungersnot ganze Scharen von Propheten gespeist wurden? 10 Wir werden nach Nazareth pilgern und dort die Blume Galiläas, wie schon der Name andeutet, 11 besichtigen. Nicht weit davon ist Kana zu sehen, wo das Wasser in Wein verwandelt wurde. 12 Wir werden zum Tabor hinaufsteigen und zu den Zelten des Herrn, um ihn dort zu schauen, nicht wie Petrus es wollte, mit Moses und Elias, sondern mit dem Vater und dem Hl. Geiste. 13 Von dort begeben wir uns dann zum See Genesareth, um Zeuge zu sein, wie mit fünf und sieben Broten fünf- und viertausend Menschen in der Wüste Sättigung finden. 14 Auch an der Stadt Naim kommen wir vorbei, an deren Toren der Sohn der Witwe zum Leben erweckt wurde. 15 Wir werden den Hermon sehen und den Bach Endor, an dem Sisara eine Niederlage hinnehmen mußte. 16 Weiter werden wir uns Kapharnaum ansehen, das uns durch die Wunder des Herrn so geläufig ist, und schließlich die ganze Landschaft Galiläa. Bevor wir dann zu unserer Grotte zurückkehren, begleiten wir Christus über S. 311 Silo und Bethel nach den übrigen Ortschaften, wo man Kirchen errichtet hat gleichsam als Siegeszeichen des Herrn. Zu Hause wollen wir dann unablässig singen, oft weinen, ununterbrochen beten und verwundet vom Liebespfeil des Erlösers gemeinsam sprechen: „Ich habe den gefunden, den meine Seele liebt. Ich werde ihn festhalten und nicht mehr von mir lassen.“ 17
Apg. 1, 9 f. ↩
Joh. 11, 44. ↩
Matth. 3, 13 ff. ↩
Luk. 2, 8. ↩
3 Kön. 2, 10. ↩
Amos 2, 2. ↩
Gen. 49, 29 ff. ↩
Apg. 8, 36 ff. ↩
Nach Hieronymus (vgl. auch comm. in Abd. zu v. 1 M PL XXV 1151) sind Abdias, den die jüdische Legende mit dem gleichnamigen Haushofmeister Achabs gleichsetzt, Elisäus und Johannes der Täufer zu Sebaste begraben. ↩
3 Kön. 18, 4. ↩
נֵצֶר „Schößling“, von Hieronymus öfters mit „Blume“ wiedergegeben. ↩
Joh. 2, 1 ff. ↩
Matth. 17, 4 ff. ↩
Ebd. 14, 17 ff.; Mark. 6, 38 ff.; Luk. 9, 13 ff.; Matth. 15, 34 ff.; Mark. 8, 5 ff. ↩
Luk. 7, 14 f. ↩
Richt. 4, 15 f. ↩
Hohel. 3, 4. ↩
