11.
Das muß ja eine herrliche und begehrenswerte Sache sein, die man nur deshalb wählt, um nicht Satan zu huldigen! Auch Jerusalem trieb einst Unkeuschheit und spreizte seine Beine für jeden aus, der vorüberging. 1 In Ägypten hat es zuerst seine Jungfräulichkeit verloren, dort trockneten seine Brüste ein. 2 Es kam in die Wüste und verlor über Moses’ Fernbleiben die Geduld. Rasend vor leidenschaftlicher Lust sprach es: „Das, o Israel, sind die Götter, welche Dich aus Ägypten herausgeführt haben.“ 3 Dafür wurden ihm harte Gebote und schmerzliche Heilmittel auferlegt, die mehr eine Strafe als eine Quelle des Lebens sein sollten. 4 Wenn nun der Apostel den geilen Witwen, von denen er anderwärts sagt: „Sobald sie Christus zuwider üppig geworden sind, wollen sie heiraten und verfallen dem Urteil, weil sie die erste Treue gebrochen haben“, 5 die zweite Ehe gestattet, 6 ist dies dann weiter zu verwundern? Denn auch dies ist ein hartes Gebot und ein S. 331 schmerzliches Heilmittel. Gestattet doch ein solches Zugeständnis auch noch einen dritten, ja nach Wunsch sogar einen zwanzigsten Gatten. Daraus könnten sie allein schon erkennen, daß es nicht in des Apostels Absicht lag, ihnen einen Gatten zu geben, sondern sie vor dem Verkehr mit Ehebrechern zu bewahren.
Dies, geliebteste Tochter in Christo, präge ich Dir ein und wiederhole ich immer wieder: „Vergiß die Vergangenheit und fasse ins Auge, was vor Dir liegt! 7 Richte Dich nach denen, die Dir als Vorbilder in Deinem jetzigen Stande dienen können!“ Ich denke an Judith, die in der Jüdischen Geschichte eine Rolle spielt, und an Anna, die Tochter Phanuels, die im Lichte des Evangeliums leuchtet. Beide weilten Tag und Nacht im Tempel 8 und wahrten sich durch Gebet und Fasten den Schatz der Keuschheit. 9 Daher schnitt die eine als Vorbild der Kirche dem Teufel das Haupt ab, 10 während die andere als erste den Heiland der Welt auf ihre Arme nahm und mit prophetischem Blicke die zukünftigen Geheimnisse schaute. 11
Zum Schlusse möchte ich noch die Bitte aussprechen: „Führe die Kürze dieses Büchleins nicht zurück auf Mangel an Gedanken noch auf die Unfruchtbarkeit des Stoffes, sondern auf meine große Schüchternheit.“ Ich scheue mich nämlich, die Geduld einer mir persönlich unbekannten Dame allzulange in Anspruch zu nehmen. Dann aber fürchte ich auch das Urteil, das manche Leser im geheimen fällen möchten. 12 S. 332
Ezech. 16, 25. ↩
Ebd. 23, 3. ↩
Exod. 32, 1. 4. ↩
Ezech. 20, 25. ↩
1 Tim. 5, 11 f. ↩
Röm. 7, 3; 1 Kor. 7, 39. ↩
Phil. 3, 13. ↩
Luk. 2, 36 f. ↩
Jud. 8, 4 ff. ↩
Ebd. 13, 10. ↩
Luk. 2, 38. ↩
Hieronymus befürchtet, daß eine allzu eindringliche Ermahnung den Verdacht erregen könne, daß doch ein Fehltritt Salvinas eine solche nötig gemacht hätte. ↩
