16. Wie Schamiram nach dem Tode Ara’s die Stadt und die Strasse des Flusses und ihre Wohnung erbaut.
Nach diesen Glücksfällen verweilt Schamiram wenige Tage in der Ebene, welche nach dem Namen Aras Ararat genannt wird. Sie geht dann nach der Bergseite, der Südseite des Landes, weil es Sommer war. weil sie sich in den Thälern und blumigen Ebenen ergötzen will. Nachdem sie die Schönheit des Landes und die Reinheit der Luft und das ganz klare Hervorsprudeln der Quellen und das Murmeln der schnell dahin fliessenden Flüsse gesehen, sagt sie: Wir müssen in einer solchen S. 32 Mässigung der Luft und Reinheit des Wassers und des Landes eine Stadt und eine königliche Residenz bauen, damit wir den vierten Theil vom Kreislaufe des Jahres, welcher die Sommerzeit ist, in aller Annehmlichkeit in Armenien zu bringen und die drei andern Theile während der Kälte der Luft in Ninive uns aufhalten.
Nachdem sie viele Orte durchwandert hat, kommt sie von der Ostseite her zum Ufer des Salzsee’s. Sie sah am Ufer des Sec’s einen langen Hügel, dessen Langseite nach der Sonnenuntergangsgegend, jedoch ein Wenig schief gegen Norden, gelegen war, und an dessen Südseite eine direkt gegen Himmel schauende, senkrecht eingehende Höhle sich befand. Von da an weiter gegen Süden sah sie ein ebenes, weites Thal von der Ostseite des Berges her gegen das Ufer des See’s frei und schön thalförmig herabsteigend, und in dessen Mitte Bäche mit wohlschmeckendem Wasser, welche vom Berge herabsteigend nach den Thälem und Ebenen flossen und am Fusse der langen Berge zur Ausdehnung grosser Flüsse sich sammelen. Nicht wenige Gebäude sah sie in dem tiefen Thale zur Rechten und Linken der Gewässer erbaut und nach der Ostseite des Hügels hin einen sehr kleinen Berg.
Als die männersüchtige und verliebte Schamiram dort Alles geprüft hat, gibt sie Befehl 12000 ungebildete Handwerker aus Assyrien und andern unterworfenen Ländern und 6000 ihrer auserlesenen in Allem erfahrenen Handwerker für Arbeit in Holz, Stein, Erz und Eisen, welche in jeder Kunst erfahren wären, ohne Säumniss an den erwünschten Ort zu bringen. Die Ausfiihrung begann zugleich mit dem Befehle, sie zu vollziehen. Sofort wurde eine einem Heuschreckenzuge ähnliche Menge von Arbeitern und klugen und verständigen Künstlern herbei gebracht. Darauf befiehlt sie, die Wasserleitung mit durch Kalk und Sand zusammengefligten Felsblöcken und sehr grossen Steinen zu erbauen in grosser Länge und Höhe; sie ist, wie man sagt, bis auf den heutigen Tag erhalten. Durch die Flucht in die Aushöhlung dieser Wasserleitung schützen sich wie ich höre, die Einwohner des Landes gegen Räuber und Vagabunden, da sie S. 33 in den tiefen Höhlen der Berge gesichert sind. Wenn man den Versuch machen wollte, könnte man keinen für die Schleuder passenden Stein aus dem Baue der Wasserleitung herausreissen, wenn man auch mit grosser Kraft sich anstrengte. Die künstliche Befestigung der Steine näher betrachtet, bringt den Schauenden die Meinung bei, als sei die Befestigung durch Fett zu Stande gebracht. Diese viele Stadien fortgesetzte Wasserleitung führt sie bis zu dem für die Stadt ausersehenen Orte.
Sie lässt die Menge in viele Partien abtheilen und über jede Abtheilung auserlesene Meister als Lehrer setzen und vollendet auf angestrengte Arbeit sehend nach wenigen Jahren das Wunderwerk mit sehr festen Mauern und ehernen Thoren. Sie baut auch mitten in der Stadt sehr schöne und sehr viele, mit verschiedenen Steinen und Farben geschmückte, zwei- und dreistöckige Paliäste, wo möglich alle nach der Sonne hin gelegen, und scheidet durch schöne Farben und breite Strassen die Quartiere der Stadt von einander. Sie erbaut auch etwelche schöne und bewunderungswürdige Kanäle nach Bcdürfniss mitten durch die Stadt und leitet und verthcilt einen Theil des Flusses durch die Stadt zur Befriedigung jedes Bedürfnisses für die Bewässerung der Obst- und Blumengärten und den andern Theil am Ufer des See’s zur Rechten und Linken für die Bewässerung der Stadt und der ganzen Umgegend. Den ganzen östlichen, nördlichen und südlichen Theil der Stadt schmückt sie mit Gebäuden und Lauben von belaubten nach Früchten und Blättern geschiedenen Bäumen und pflanzt viele fruchtbare und weintragende Weinberge, zieht überall die prächtigen bekannten Mauern und siedelt eine unzählige Menge von Menschen dort an.
Ueber das Ende der Stadt und die wunderbaren Construktionen des Werkes sind viele Menschen nicht klug geworden; davon zu erzählen ist auch nicht möglich. Nachdem sie das Ende der Stadt mit Mauern umgeben hat, errichtet sie schwer zugängliche und schwer zu ersteigende königliche Gebäude und ein schreckliches Gefängniss. Eine auf Wahrheit beruhende Beschreibung des Werkes ist von Niemanden zu meinen Ohren gekommen, und erlaube ich mir nicht dieselbe in die Erzählung S. 34 einzuweben. Das allein sage ich, dass es von allen königlicben Werken, wie ich gehört habe, als das erste und grösste zu betrachten ist.
Auf der Ostseite der Höhle, auf welcher Niemand mit Eisen eine Furche zu ziehen vermag, derart ist die Festigkeit der Materie, errichtet sie verschiedene Kapellen, Schlafgemächer, Schatzhäuser und weite Höhlen. Niemand weiss wie die Aufführung solcher Werke möglich gewesen ist. Sie schrieb auf die ganze Oberfläche der Steine, wie man auf ein glattes Wachs mit einer Feder schreibt, viele Inschriften. Der Anblick davon allein setzt Jeden in Staunen. Das ist noch nicht Alles. Sie errichtet an vielen Orten des armenischen Gebietes Säulen und lässt mit derselben Schrift passende Worte zur Erinnerung darauf schreiben. An vielen Orten errichtet sie auch Grenzsteine mit derselben Schrift. Das ist es, was über die Thaten der Schamiram in Armenien zu sagen ist.
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