26 Wie Aschdahck in seinem Hasse sein gegenwärtiges Geschick in einem wunderbaren Traume sieht.
Es hatte, sagt der Geschichtsschreiber, in jenen Tage nicht geringe Furcht der Meder Aschdabak wegen der Verbindung des Cyrus und Tigran. Daher wurde ihm in Folge der heftigen Verwirrung der Gedanken in einer Traumgescbichte eine Erscheinung im nächtlichen Schlafe, welche er im wachen Zustande niemals mit Augen gesehen und mit Ohren gehört hatte. In Folge davon aus dem Schlafe aufgewacht, gibt er gegen seine Gewohnheit nicht Acht auf die Stunde der Berathung, sondern ruft, obgleich er noch viele Zeit der Nacht vor sich hat, seine Rathgeber und seufzt mit traurigem Angesichte auf die Erde schauend mit Stöhnen aus tiefem Herzen. Auf die Frage der Räthe, warum das sei, verschiebt er lange Zeit die Antwort und offenbart endlich mit Seufzen beginnend jeden Gedanken und Argwohn in der Tiefe seines Herzens und dazu auch die Einzelheiten des schrecklichen Gesichtes.
„Es war mir, o Freunde, als befände ich mich an diesem Tage in einem unbekannten Lande nahe an einem Berge von grosser Erhöhung über der Erde, dessen Spitze von gewaltigem Eise umhüllt erschien. Man sagte, das sei nahe am Lande der Haikanen. Als ich auf den sehr grossen Berg hinschaute, erschien mir ein Weib mit einem Pupurkleide, einen langen Schleier vor sich habend, sitzend auf der Spitze dieser Erhöhung, schönäugig, mit langem Wüchse, rothwangig ergriffen von Geburtssebmerzen. Währcnd meines weiteren Schauens auf diese Erscheinung und während meines Staunens gebar das Weib plötzlich drei an Wuchs und Kraft vollendete Helden. Der erste, S. 46 auf einem Löwen reitend, nahm seinen Flug nach Westen, der zweite auf einem Leoparden schaute gegen Norden, der dritte, einen ungeheueren Drachen bändigend, stürzte sieb angreifend auf mein Reich.
Mitten in diesen verwirrenden Sorgen schien es mir, als befände ich mich auf dem Dache meines Pallastes und sähe eben die höchste Fläche desselben mit schönen Zelten und sehr vielen Springbrunnen geschmückt und die Götter, die mich gekrönt haben, mit lieblichem Angesichte darüber befindlich und ich mit euch dieselben ehrend mit Opfern und Weihrauch. Plötzlich aufsehauend sah ich den, welcher auf dem Drachen ritt, mit den Flügeln des Adlers fliegend, einen Angriff machen; er gedachte, nahe gekommen, die Götter zu tödten. Jedoch ich Aschdahak, mich in die Mitte stürzend, nahm auf mich jenen Angriff und nahm den Kampf auf mit dem wunderbaren Helden. Indem wir zuerst mit der Spitze der Lanze beide Körper zerschnitten, liessen wir Blutströme dahin fliessen und machten die sonnenhelle Oberfläche des Pallastes zu einem Meere fliessenden Blutes. Darauf kämpften wir mit anderen Waffen nicht wenige Zeit hindurch.
Jedoch was nützt mir die Breite der Worte; denn das Ende der That ist der Untergang. Als ich im Schweisse wegen der fürchterlichen Gefahr war, floh der Schlaf von mir, und in Zukunft werde ich nicht mehr als Lebendiger gezählt. Denn nichts Anderes bezeichnet die Bewegung der Erscheinung als den Angriff der Gewalt, der mir von dem Haikanen Tigran kommt. Wer aber, der nach der Hilfe der Götter mit Wort und That uns Hilfe ersinnt, denkt nicht, dass er unser Mitregent werde?‟ Nachdem er viele Rathschläge, betreffs der Hilfe von den Räthen gehört hat, ehrt er sie mit Dankesbezeugung.
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