3. Ueber die unwissenschaftliche Geistesrichtung unserer ersten Könige und Fürsten.
Ich will die unwissenschaftliche Geistesrichtung unserer ersten Ahnen nicht ohne Worte des Tadels lassen, sondern gerade hier am Anfange meines Werkes die Worte des Tadels über sie anbringen. Wenn in Wahrheit diejenigen Könige des Lobes werth sind, welche durch Schrift und Erzählung die Ereignisse ihrer Zeit fixiren und ordnen und die Thaten der Weisheit und jede Kraftäusserung in Chronik und Geschichte einregistriren liessen, dann sind nach diesen auch die mit solchen Arbeiten befassten Bücherschreiber lobender Worte von unserer Seite würdig. Durch diese und die Lektüre der von ihnen herrührenden Darstellungen der Thatsachen, sage ich, werden wir mit den allgemeinen Regeln und Gesetzen bekannt und lernen die politischen Einrichtungen kennen. Wenn wir derartige wissenschaftliche Erörterungen und Erzählungen lesen, wie die der Chaldäer, Assyrier, Egyptier und Hellenen sind, dann tragen wir gewiss ohne Zweifel Verlangen nach der Weisheit solcher Männer, welche für dergleichen gesorgt haben.
Nun ist uns allen die Vernachlässigung der Wissenschaft von Seiten unserer Könige und der andern Vorfahren und die Schwäche ihres Verstandes bekannt. Denn obgleich wir eine kleine Nation, in sehr enge Grenzen eingeschlossen und an Macht schwach und oft andern Reichen unterworfen waren, so finden sich doch viele Kraftthaten, die in unserem Lande vollbracht und der schriftlichen Aufzeichnung würdig sind von denen jedoch auch nur eine einzige einregistriren zu lassen Keiner von ihnen sich die Mühe gegeben hat. Doch wie könnte diejenigen, welche nicht daran gedacht haben, sich selbst eine Wohlthat zu erweisen und ihren Namen in gutem Andenken im Lande zu hinterlassen unser Tadel treffen, wenn wir Grösseres und Aelteres, als sie leisten können und sind, von ihnen forderten? S. 5 Aber es könnte nun Jemand sagen es ist so gekommen durch den Mangel an Buchstaben und Schriftstücken in jener Zeit und durch die verschiedenen Kriege, die häufig in unmittelbarer Aufeinanderfolge über das Land kamen.
Mit Unrecht aber denkt man so; denn es gab auch ruhige Zeiten zwischen den Kriegen, es gab persische und griechische Buchstaben, mit welchen zahllose Geschichtsbücher über die Eigenthümlichkeiten der Städte, Provinzen und aller Häuser, über die allgemeinen Streitigkeiten und Verträge besonders auch über die Privilegien einzelner Fürstenstände geschrieben worden sind und noch jetzt bei uns sich vorfinden. Zu dem scheint mir wie jetzt so auch bei den alten Armeniern eine Abneigung gegen Wissenschaft und verständige Gesänge geherrscht zu haben. Daher ist es überflüssig, noch Etwas über jene unvernünftigen leichtsinnigen und rohen Männer zu sagen.
Aber über dich, über die Fruchtbarkeit deines Geistes, wundere ich mich sehr, in so fern du als der Einzige vom Anfange unserer Nation an bis jetzt gefunden wurdest, der an ein so grosses Werk die Hand anlegte und mir zur Prüfung die Bitte vorlegte, in einem langen und nützlichen Werke die Geschichte unserer Nation zu schreiben, d. h. die genaue Geschichte der Könige, der Geschlechter und Häuser der Satrapen, des Ursprunges und der Thaten jedes einzelnen von ihnen und anzugeben, welche von den verschiedenen Familien eingeboren und zur Nation gehörig, und welche Fremde unter die Familien und in die Nation aufgenommen sind und alle Thaten und Zeitverhältnisse von der Zeit des thörichten Thurmbaues an bis jetzt zu beschreiben. Diese schöne Arbeit habe ich zu deinem Ruhme und mit ungezwungener Bereitwilligkeit übernommen.
Zu dem möchte ich noch sagen: Stünden mir doch ein Buch, wie Job sagt, oder Schriften deiner Ahnen zu Gebote, mit deren Hilfe ich ganz ähnlich den hebräischen Schriftstellern unfehlbar von Anfang an bis auf dich herab steigen oder mit dir und Andern beginnend nach Oben, nach dem Anfänge gelangen könnte. Aber nichts desto weniger werde ich beginnen, obgleich mit Mühe, wenn nur Einer von den Unserigen sich S. 6 dankbar für die Anstrengungen bezeugt. Ich werde dort beginnen, wo auch Andere, Mitglieder der Kirche und Christen, begonnen haben, indem ich es für überflüssig halte bei Gelegenheit des Anfanges die heidnischen Fabeln zu wiederholen. Dabei werde ich aber doch die frühere Zeit und die berühmten Männer besprechen, an welche sich die Geschichte der göttlichen Thaten anschloss, so dass ich nothwendig an die heidnischen Erzählungen komme, denen ich aber bloss das entnehme, was ich für zuverlässig halte.
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