III, 30.
[Er sann eine Weile nach und sich in Positur setzend, sprach er: Du scheinst mir wirklich jene unerfahrenen Kapitäne nachzuahmen, die, während sie noch auf der einen Fahrt sind, sich bereits nach einem anderen Meere zu neuer Fahrt umschauen. Ganz so verlangst auch du, während du die vorliegenden Fragen noch nicht gebührend erledigt hast, wir sollen dir neue Streitthemata vorlegen. Nun denn, wenn du zu solchen Mut hast und über die Probleme im klaren bist, sage uns doch], wie Paulus erklären konnte: »Obgleich ich frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, auf daß ich alle gewinne«, und wie er, der die Beschneidung Zerschneidung nennt, doch selbst in Lystra einen gewissen Timotheus beschnitten hat, wie die Apostelgeschichte lehrt? Wir gratulieren zur ausgemachten Torheit dieser Worte! Solche Zurüstungen zum Lachen bieten die Theaterbühnen, das ist wahrlich das Narrenstück von Zauberkünstlern! Wie kann denn der frei sein, der sich bei allen zum Sklaven macht? Wie gewinnt der Alle, der sich Allen unterwürfig macht? Denn wenn er mit denen, die ohne Gesetz, als ein Gesetzloser, wie er selbst sagt, und mit den Juden als Jude und mit allen nach ihrer Art Verkehr gepflogen hat, so war er wirklich der Sklave vielfältiger Schlechtigkeit, und zwar ein Sklave, der der Freiheit ganz fern stand, und wirklich der Gehilfe und Diener fremder Sünden, ein ausbündiger Eifrer um Unehrbares, er, der da mit der Sünde der Gesetzlosen gegebenenfalls stets sich eingelassen und ihre Taten zu seinen eigenen gemacht hat! Das sind nicht die Grundsätze einer gesunden Seele, das ist nicht das Bekenntnis eines freien und edlen Nachdenkens, sondern die Grundlage dieser Worte verrät einen Menschen, dessen Sinn in Fieberschauern liegt und dessen Überlegung krank und schwach S. 61ist. Denn wenn er mit denen, die ohne Gesetz sind, zusammenlebt und zugleich den Judaismus in seinen Schriften billigt, also an beiden teilnimmt, so hat er sich mit beidem vermischt und vermengt und sich selbst der Sünden des Pöbels schuldig gemacht. Denn der, welcher die Beschneidung so sehr anklagt, daß er die verflucht, welche sie vollziehen wollen, tritt, wenn er doch selbst sie ausübt, gegen sich als schwerster Ankläger auf, in jenen Worten: »Wenn ich das, was ich aufgelöst habe, wieder aufbaue, so stelle ich mich selbst als Übertreter hin«.
