IV, 24.
S. 93Von der Auferstehung der Toten ist noch einmal zu handeln. Denn zu welchem Zweck sollte Gott dies tun und die bisher geltende Succession der Kreaturen, durch die er die Erhaltung und Fortdauer der Arten bestimmt hat, vorgreifend auflösen, während jenes seine uranfängliche Satzung und Anordnung ist? Was aber einmal von Gott beschlossen und so lange Zeit hindurch in Kraft erhalten worden ist, das muß selbst ewig sein und darf vom Schöpfer weder verurteilt noch zerstört werden, als wäre es eines Menschen Anordnung und sterblich, von einem Sterblichen aufgestellt. Daher wäre es unvernünftig, wenn alles vernichtet würde und dann die Auferstehung käme, wenn er einen, der, sei es, drei Jahre vor der (allgemeinen) Auferstehung gestorben wäre, auferweckte und mit ihm Priamus und Nestor, die vor tausend Jahren starben, und andere vor ihnen seit Erschaffung der Menschen. Aber auch wenn man Folgendes bedenkt, wird sich der Gedanke der Auferstehung als völlig töricht ergeben: Viele sind — wie oft! — auf dem Meere umgekommen, und ihre Körper wurden von den Fischen verzehrt; viele sind von wilden Tieren und Vögeln gefressen worden. Wie können nun ihre Leiber wiederkommen? Wohlan, wir wollen den Fall genau durchnehmen: Z. B. jemand erlitt Schiffbruch; dann verspeisten seinen Leib die Seebarben, darauf fingen die Fischer sie, verzehrten sie, wurden aber selbst getödtet und von den Hunden gefressen; die Hunde gingen ein und wurden von Raben und Geiern mit Haut und Haaren verspeist. Wie soll nun der Leib jenes Schiffbrüchigen wieder zusammengebracht werden, der in so vielen Tieren sich aufgelöst hat? Und ein anderer Leib ist verbrannt worden, ein anderer hat sich in Würmer aufgelöst — wie können die wieder zu ihrer alten Substanz kommen? Aber du erwiderst mir: »Gott kann das« — doch das ist nicht wahr, denn er kann nicht alles. Er kann nicht machen, daß Homer kein Dichter gewesen und daß Ilion nicht zerstört worden ist; er kann auch nicht machen, daß eine verdoppelte Zwei, welche Vier gibt, Hundert ist, auch wenn er so beschließen wollte. Auch kann Gott nicht, selbst wenn er es wollte, jemals schlecht werden; auch kann er, da er von Natur gut ist, nicht sündigen. Ist’s nun so, daß er weder sündigen kann noch schlecht werden, so folgt daraus doch nicht, daß ihm S. 95eine Schwäche anhaftet. Die nämlich, welche von Natur die Gaben und Anlage zu etwas haben, werden, wenn sie an der Ausübung derselben sich hindern lassen, allerdings durch ihre Schwäche gehindert; Gott aber ist von Natur gut und niemand hindert ihn, schlecht zu sein; dennoch ist es ihm, obgleich ihn niemand hindert, ganz unmöglich, je schlecht zu werden. Überlegt aber auch folgenden Punkt: Wie unsinnig wäre es, wenn der Schöpfer den Himmel — niemand vermag eine erhabenere Schönheit zu erdenken — ruhig zerschmelzen und die Gestirne herabfallen und die Erde vergehen sähe, aber die verfaulten und vernichteten Leiber der Menschen wieder auferweckte, einige von ansehnlichen Menschen, andere aber, die vor dem Tode einen unerfreulichen und verzerrten und ganz widerlichen Anblick darboten! Und wenn es ihm auch ein leichtes wäre, sie mit der entsprechenden Glanzgestalt auferstehen zu lassen, so hätte doch die Erde unmöglich Platz für die seit der Weltschöpfung Verstorbenen, wenn sie auferstünden.
