21. Den Verächtern des jungfräulichen Standes droht die größte Gefahr.
Neun nun auch, wie ich sagte, jener Tadel ungestraft bliebe, so müßte man sich doch wegen des Ehen Erwähnten dessen enthalten. Nun aber liegt in der Sache eine große Gefahr; denn es wird nicht bloß derjenige, welcher dasitzend gegen seinen Bruder sich ausläßt und Anstoß gegen den Sohn seiner Mutter bereitet,1 bestraft werden, sondern auch jener, der sich unterfängt, das zu tadeln, was vor Gott herrlich erscheint. Höre, was ein anderer Prophet über denselben Gegenstand sagt: „Wehe demjenigen, der das Böse gut, und das Gute bös nennt; der das Licht zu Finsterniß, und die Finsterniß zu Licht macht; der das Bittere in süß, das Süße zu bitter verwandelt.“2 Denn was ist süsser, was besser, was glänzender, als der jungfräuliche Stand, der leuchtendere Blitze als selbst die Strahlen der Sonne entsendet, uns von allen weltlichen Geschäften befreit, und ohne Unterlaß mit reinen Angen zur S. 185 Sonne der Gerechtigkeit aufblicken läßt? Und das sagt Isaias von denen, welche unter sich verwerfliche Gerichte halten. Verimm aber auch, was ein anderer Prophet, der mit dem gleichen Ausruf beginnt, von denjenigen sagt, die solche giftige Worte unter das Volk schleudern: „Wehe dem, welcher seinem Nächsten schmutzige Zerstörung zu trinken gibt.“3 Das „Wehe“ ist aber nicht einfach ein Wort, sondern eine Drohung, die uns eine unsägliche und unbarmherzige Strafe verkündet; denn in den heiligen Schriften wird dieser Ausruf gegen jene gebraucht, welche den bevorstehenden Strafen nicht mehr zu entrinnen vermögen. Und wieder sagt ein anderer Prophet, indem er die Juden tadelt: „Ihr gebet den Geheiligten (Nasiräern) Wein zu trinken.“4 Wenn aber derjenige, welche den Nasiräern) Wein zu trinken gibt, so sehr gestraft werden wird, welche Strafe wird der nicht verdienen, welcher in die Seelen der Einfältigen schmutzige Zerstörnug ausgießt? Wenn derjenige, welcher einen kleinen Theil der Gesetzübung unterschlägt, unerbittliche Strafe erfährt, welche Strafe wird jener erdulden, der dieses unversehrte Heiligthum herabsetzt? „Wer Eines aus diesen Kleinen“, heißt es, „ärgert, dem wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt, und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“5 Was werden nun jene sagen, die mit solchen Worten nicht etwa Ein Kleines, sondern Viele ärgern? Denn wenn derjenige, welcher seinen Bruder Narr nennt, geradezu in’s höllische Feuer geworfen wird,6 welchen Zorn wird der auf sein Haupt laden, welche diese engelgleiche Einrichtung anklagt? Maria spottete einst über Moses, nicht wie ihr jetzt über den jungfräulichen Stand, sondern in einer viel geringeren und unbedeutenderen Sache; denn sie tadelte nicht einen Menschen, noch verspottete sie die Tugend jenes Heiligen, sie bewunderte sie sogar sehr: sie sagte nur, daß sie sich der nämlichen Vor- S. 186 züge erfreue, wie er; und dennoch erregte sie den Zorn Gottes so sehr, daß sogar die dringende Fürbitte desjenigen, welcher der Beleidigte schien, nichts ausrichtete, sondern ihr über dessen Ansicht hinaus die Strafe geschärft wurde.
