74. Warum der Apostel besorgt zu sein verlangt, da wir doch ohne Sorgen sein sollen.
„Wie willst du nun, daß wir ohne Sorgen seien, während du uns wieder in eine andere Sorge stürzest?“ Weil das nicht sorgen heißt, gleichwie auch sich um Christi willen betrüben sich nicht betrüben heißt: denn es verändert sich hier nicht die Natur der Dinge, sondern der Wille derjenigen, die dieses mit Freude ertragen und damit die Natur der Dinge besiegen. Denn wer für das sorgt, was er nicht lange Zeit genießt, von dem dürfte man mit Recht sagen, daß er sorge; wer aber aus seinen Sorgen eine grössere Frucht ernten will, der kann mit allem Rechte unter diejenigen gezählt werden, die ohne Sorgen sind. Ueberdieß ist zwischen beiden Sorgen ein so großer Unterschied, daß diese, mit jener verglichen, nicht einmal für eine Sorge gehalten werden kann, da sie viel geringer und leichter ist, als jene. Das alles haben wir eben auseinander gesetzt.
„Wer kein Weib hat, sorgt für das, was des Herrn ist; wer aber ein Weib hat, sorgt für das, was der Welt ist.“ Diese aber vergeht, jener dagegen bleibt. Sollte dieser Umstand nicht allein schon hinreichen, um die Würde des jungfräulichen Standes nachzuweisen? Denn um wie viel besser Gott als die Welt ist, um so viel vorzüglicher ist diese als jene Sorge.
„Warum gestattet er denn die Ehe, wenn sie uns theils den Sorgen überliefert, theils von den geistlichen Dingen S. 266 abzieht?“ Gerade deßwegen, sagte ich, heißt es: Damit die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine: damit die, welche schon gebunden sind oder später gebunden werden sollen, auf irgend eine Weise das Band lockern mögen. Denn weil es nicht erlaubt ist, das einmal geschlungene zu zerreißen, so mache es erträglicher. Denn es ist gestattet, wenn wir wollen, alles Ueberflüssige abzuschneiden und durch unsere Trägheit denjenigen Sorgen, welche die Sache und ihre Natur erzeugt, nicht noch größere hinzuzufügen.
