28. Dasjenige, was in der heiligen Schrift von der Ehe gesagt wird, ist eine Ermunterung zur Jungfräulichkeit.
Was sagt aber Paulus nach diesem? „Dem Weibe leiste der Mann die eheliche Pflicht, und ebenso auch das Weib dem Manne.“1 Indem er dieses sodann weiter er- S. 194 klärt und deutlicher macht, fügt er hinzu: „Das Weib hat keine Macht über den eigenen Leib, sondern der Mann; ebenso hat der Mann keine Macht über den eigenen Leib, sondern das Weib.“ Und diese Worte scheinen zwar für die Ehe zu sprechen, in Wahrheit aber senkt er sie wie eine mit einem gewöhnlichen Köder versehene Angel in die Ohren seiner Schüler, indem er sie durch die Rede für die Ehe der Ehe entfremden will. Denn wer da hört, daß er nach der Heirath nicht mehr sein eigener Herr, sondern dem Gutdünken des Weibes unterworfen sein soll, der wird ungesäumt sich bemühen, der bittersten Knechtschaft ledig zu werden, oder vielmehr gleich Anfangs ihr Joch nicht auf sich zu nehmen, da, wer es einmal auf sich genommen, ihm solange dienen muß, als es dem Weibe gefällt. Daß ich aber hier über die Meinung des Paulus keine bloße Vermuthung aufstelle, kann man leicht an den Jüngern erkennen. Denn diese haben die Ehe nicht eher für schwer und lästig gehalten als bis sie sich vom Herrn in jene Schranken eingeengt sahen, in welche Paulus damals die Korinther einschloß. Denn jener Ausspruch: „Wer immer sein Weib entläßt, es sei denn um Hurerei willen, bricht die Ehe,“2 und dieser: „Der Mann hat keine Macht über den eigenen Leib,“3 haben, sind auch die Worte verschieden, doch den nämlichen Sinn. Ja, wenn Jemand die Worte des Paulus etwas genauer ansehen will, so vermehrt derselbe die Tyrannei und macht die Knechtschaft noch härter. Denn der Herr stellt es bloß dem Manne nicht frei, sein Weib aus dem Hause zu werfen; Paulus aber beraubt ihn sogar der Macht über den eigenen Leib, indem er die ganze Herrschaft über denselben an das Weib überträgt, und ihn mehr unterordnet, als es ein gekaufter Sklave ist. Denn diesem ist es doch hie und da möglich, die vollkommene Freiheit zu erlangen, wenn er einmal zu Geld gelangt und dem Herrn den Preis zu zahlen vermag; der Mann aber muß, selbst wenn er die allerlästigste Frau S. 195 hat, die Knechtschaft ertragen und vermag keine Befreiung und keinen Ausweg aus dieser Herrschaft zu finden.
