58. Die Ehe, auch wenn sie allen Uebeln entrinnt, ist doch nichts Großes.
Willst du, daß wir auch dieses Alles bei Seite lassen und das Unmögliche unterstellen und zugeben, daß die Ehe alle Güter zugleich in sich schließe, nämlich eine zahlreiche Nachkommenschaft, gute Kinder, Reichthum, eine bescheidene, schöne und verständige Frau, Eintracht und hohes Alter; es komme dazu sowohl ein berühmtes Geschlecht als auch eine große Macht: Ebenso beunruhige sie nicht das gemeinschaftliche Uebel der Natur, die Furcht vor dem Wechsel der Dinge, vielmehr sei jede Ursache des Kummers, der Furcht und der Sorgen verbannt, noch löse irgend eine Gewalt oder ein frühzeitiger Tod die Ehe, sondern mögen sie sogar an einem und demselben Tag sterben, oder mögen, was noch ein weit größeres Glück zu sein scheint, Kinder als Erben sie überleben, und beide Eltern in hohem Alter zusammen voraussenden, was für ein Ende werden sie schließlich haben? Welchen Vortheil werden sie ziehen aus diesem vielen Vergnügen, und wohin werden sie damit gelangen? Denn was wird ihnen vor jenem Richterstuhl in den wahren und ewigen Angelegenheiten der Umstand zu nutzen vermögen, daß sie viele Kinder hinterlassen, eine schöne Frau mit Wollust und allem Uebrigen, was ich schon erwähnte, besessen und das höchste Alter erreicht haben? Nichts. Diese Dinge sind daher ein Schatten und ein Traum, weil wir in der Ewigkeit, die uns dann aufnehmen wird, von ihnen keinen Nutzen, keinen Trost hoffen dürfen, indem jene, welche dieselben besessen, ebenso angesehen werden müssen, als hätten sie dieselben nicht besessen. Denn wir S. 249 werden nicht sagen, daß der, welcher in tausend Jahren Eine Nacht einen süßen Traum gehabt, etwas mehr habe als jener, der dieses Gesicht nicht genossen. Ja ich habe noch nicht Alles gesagt, was ich wollte. Denn nicht blos so weit stehen die gegenwärtigen Dinge von den jenseitigen ab, wie ein Traum von der Wirklichkeit, sondern noch weit mehr; auch ist nicht, was in tausend Jahren Eine Nacht ist, die Gegenwart im Vergleiche zur Zukunft, sondern auch hier besteht wieder ein viel größerer Unterschied. Mit der Jungfrauschaft aber verhält es sich nicht auf die nämliche Weise; sondern sie scheidet mit einem großen Gewinne von dannen. Doch wir wollen die Sache von Anfang an untersuchen.
