2. Der jungfräuliche Stand der Ketzer hat sogar Strafe zu gewärtigen.
Nun ist aber das nicht das einzige Unglück, nicht der einzige Verlust, der sie trifft, daß sie keinen Gewinn ziehen, sondern sie werden noch etwas weit Schwereres zu erdulden haben: das unauslöschliche Feuer, den nimmer sterbenden Wurm, die äußerste Finsterniß, Trübsal und Angst. Wir müßten also zahllose Zungen und die Macht der Engel besitzen, um Gott für seine Sorgfalt gegen uns würdigen Dank zu erstatten; oder vielmehr, auch so wäre es nicht möglich. Denn wie könnten wir das? Das Beschwerliche des jungfräulichen Standes ist für uns und die Häretiker gleich, ja vielleicht für sie noch viel größer, die Frucht der Bemühungen ist aber ungleich; denn auf sie warten Bande, und Thränen, und Heulen und unaufhörliche Peinen: auf uns aber das Loos der Engel, leuchtende Lampen, und das höchste aller Güter, der Umgang mit dem Bräutigam. Warum ist denn aber der Lohn für die gleichen Bemühnngen ein entgegengesetzter? Weil jene den jungfräulichen Stand gewählt haben, um Gott ihre eigene Satzung entgegenzustellen; wir aber diesen erwählen, um dessen Willen zu thun. Denn daß Gott wünsche, alle Menschen möchten sich der Ehe enthalten, dafür gibt derjenige Zeugniß, durch den Christus redet: „Ich wünsche,“ sagte er, „daß alle Menschen so seien, wie ich bin“,1 nämlich enthaltsam. Allein der Heiland hat um uns zu schonen, und weil er wußte, daß der Geist zwar willig, das Fleisch aber schwach sei,2 die Ehelosigkeit nicht in ein zwingend Gebot eingeschlossen, sondern die Wahl uns selbst überlassen. Denn wäre sie Vorschrift und Satz- S. 160 ung, so würden die, welche sie hielten, keine Ehre erlangen, sondern nur hören: „Ihr habt gethan, was zu thun euere Pflicht war“;3 und die Uebertreter würden keine Verzeihung erhalten, sondern die Strafe der Gesetzübertreter erdulden. Nun aber hat er mit den Worten: „Wer es fassen kann, der fasse es“,4 jene nicht verdammt, die es nicht können, denen aber, die es können, einen schweren und großen Kampf in Aussicht gestellt. Darum sagt auch Paulus, in die Fußtapfen des Meisters tretend: „Was aber die Jungfrauen betrifft, so habe ich kein Gebot vom Herrn, einen Rath aber gebe ich.“5
