3.
Ehe ich mich aber zur Übersetzung äußere, möchte ich die Herrschaften, welche Schlechtigkeit in Klugheit umdeuten, fragen: „Woher habt ihr das Exemplar des Briefes? Wer hat es euch gegeben? Wie könnt ihr euch erdreisten, etwas an die Öffentlichkeit zu bringen, was ihr auf dem Wege des Verbrechens an euch gebracht habt? Was ist denn überhaupt noch sicher unter Menschen, wenn wir unsere Geheimnisse nicht einmal mehr durch Wände und Schränke sicherstellen können?“ Wenn ich zum Gericht gehen und euch euer Verbrechen vor dem Richter ankreiden möchte, dann würde euch die gesetzliche Strafe treffen. Die Gesetze legen ja selbst denen eine Strafe auf, welche zum Nutzen des Staates nach eurer Methode handeln. Man zieht zwar aus der verräterischen Handlung Gewinn, aber den Verräter straft man. Man bedient sich des vorteilhaften Angebotes, aber die gemeine Gesinnung fällt der Verachtung anheim. Vor einiger Zeit hat der Kaiser Theodosius den Hesychius, 1 einen gewesenen Konsul, hinrichten lassen, weil er den Schreiber des Patriarchen Gamaliel, 2 der mit ihm in bitterster Feindschaft lebte, bestochen hatte, um dessen Schriftstücke in seine Hände zu bekommen. Wir lesen in der alten Geschichte, daß der Lehrer, welcher die Kinder der Falisker ausgeliefert hatte, den Knaben übergeben und gebunden zurückgeschickt wurde. 3 Das römische Volk wollte seinen Sieg nicht S. b268 einer verbrecherischen Handlung zu danken haben. Fabricius hielt es für eine furchtbare Meintat, als der Leibarzt des Königs Pyrrhus von Epirus, den er im Lager an einer Wunde behandelte, seinen Herrn in verräterischer Weise ums Leben bringen wollte. Vielmehr schickte er den Arzt gefesselt zu seinem Herrn zurück, um zu zeigen, daß er auch das am Feinde verübte Verbrechen verabscheue. 4 Was die öffentlichen Gesetze, was selbst die Feinde schützen, was im Kriege und während des Waffengetöses heilig ist, das war unter Mönchen und unter Priestern Christi vogelfrei. Und da wagt es einer von ihnen, die Augenbrauen hochzuziehen, mit den Fingern zu schnalzen und herauszupoltern: „Was ist denn dabei, wenn er einen anderen gekauft, wenn er jemand bestochen hat? Er hat ja nur getan, was ihm dienlich war.“ Fürwahr, eine sonderbare Art, ein Verbrechen zu rechtfertigen! Schließlich tun ja auch die Straßenräuber, die Diebe und die Piraten nur, was ihnen Vorteil bringt. Ihr vergeßt wohl ganz, daß auch Annas und Kaiphas, als sie den unglückseligen Judas verführten, nur taten, was ihnen nützlich zu sein schien.
Ein Konsul dieses Namens ist nicht nachweisbar. Vallarsi denkt deshalb an einen Prokonsul Hesychius, der unter Theodosius I. in Achaia amtete und an den auch der hl. Nilus einen Brief geschrieben hat (M PG LXXIX 346). ↩
Der jüdische Patriarch Gamaliel V. (vgl. The Jewish Encyclopedia V 562 f.). ↩
Livius V 27. ↩
Livius XIII periocha. ↩
