Einleitung
Der harmlose Titel, der Ciceros Schrift „De optimo genere oratorum“ nachgebildet ist, läßt nicht vermuten, daß hier eine Streitschrift vorliegt. Allerdings ist sie, wenn auch der Polemik reichlich Raum gewährt wird, zum größten Teile positiv belehrend gehalten. Ehe Epiphanius von Salamis von seinem Aufenthalte in Palästina nach Zypern zurückkehrte, richtete er an den Bischof Johannes von Jerusalem, mit dem er sich verfeindet hatte, ein ausführliches Schreiben. 1 Er ermahnt seinen Mitbruder, von Origenes abzulassen und nach der Seite hin auch auf Rufin ein wachsames Auge zu halten. Johannes und Rufin witterten wohl Hieronymus, mit dem sich Epiphanius während seines Aufenthaltes in Palästina angefreundet hatte, hinter diesem Briefe. Da sich alles um eine Abschrift dieses Briefes riß, wurde die Kluft zwischen den Parteien immer größer. S. b263 Eusebius von Cremona, der längere Zeit im Heiligen Lande verweilte, wünschte ebenfalls den Brief zu besitzen, war aber des Griechischen nicht mächtig. Er bat daher Hieronymus um eine Übersetzung ins Lateinische. Diese wurde angefertigt, aber nur zum persönlichen Gebrauch des Bittstellers. 2 Etwa achtzehn Monate später mußte Eusebius die Entdeckung machen, daß seine sämtlichen Papiere, darunter auch die Übersetzung des Epiphaniusbriefes, entwendet waren. 3 Bald darauf wurde gegen Hieronymus auf Grund dieser Übersetzung der Vorwurf der Fälschung erhoben, der nur von Johannes oder Rufin ausgegangen sein konnte. Aus Furcht, die Sache möchte auch in Rom gegen ihn ausgeschlachtet werden, 4 unterrichtete Hieronymus seinen Freund Pammachius von dem Sachverhalt und entwickelte in dem Schreiben seine Grundsätze über die beste Art zu übersetzen. Hieronymus als glänzender Übersetzer, der die Schmerzen eines solchen zur Genüge gekostet hatte, war dazu besonders befähigt. 5 Es war ihm ein Leichtes, seine Gegner, zumal sie im vorliegenden Falle einen unsachlichen Vorwurf erhoben hatten, mundtot zu machen.
S. b264 Der Brief wendet sich nur im Vorwort und im Schlusse direkt an Pammachius, während sonst die Gegner teils im Plural, teils im Singular angeredet sind. Wer eigentlich gemeint ist — Namen werden nicht genannt —, ist mit Sicherheit nicht festzustellen. 6 Doch weist Verschiedenes auf Rufin hin. Von ihm war allein zu befürchten, daß die Angelegenheit in Rom breitgetreten würde. Den Vergleich mit Krösus und Sardanapal wendet Hieronymus wiederholt auf ihn an. 7 Auch der Vorwurf mangelnder literarischer Kenntnisse wird sonst gegen Rufin erhoben. 8 Endlich wird der angedeutete Verdacht der Bestechung und der Anstiftung zum Diebstahl später ohne Einschränkung von neuem gegen Rufin aufgenommen. 9 Auch der ganze Tenor des vierten Kapitels läßt wohl nur an Rufin denken.
Da Epiphanius 394, bald nach Abfassung seines Briefes an Johannes, nach Zypern zurückkehrte und die Schrift an Pammachius ungefähr zwei Jahre (mindestens anderthalb Jahre) jünger ist, 10 so muß diese im Jahre 396 verfaßt sein. Statt diese feststehenden Faktoren zu verwerten, verlegt Pronberger (45 ff.) auf Grund zweifelhafter Daten den Brief ins Jahr 394.
Ep. 51 ad Joann. (Hilberg I 395 ff.). ↩
Cavallera (I 217) hält die sachlichen Unterlagen, soweit sie Pammachius unterbreitet werden, für ungenügend. Nach seiner Auffassung hätte eine mündliche Übersetzung genügt. Diesen Einwand macht die Länge des Epiphaniusbriefes zunichte, wenn auch zuzugeben ist, daß des Hieronymus Interesse an ihm nicht rein platonisch war. ↩
Cavalleras Bedenken gegen den Bericht über den Diebstahl sind viel zu allgemein gehalten, als daß sie Beachtung verdienten (I 217). ↩
Die Behauptung Cavalleras, der Brief sei die Antwort auf eine Anfrage des Pammachius, der von der Sache gehört hatte, ist unrichtig. Hieronymus will ja gerade vorbeugen für den Fall, daß etwas nach Rom durchsickere (vgl. Cav. I 218 mit ep. 57, 1). ↩
Sein Grundsatz lautet: Keine Bindung an die Worte, sondern sinngemäße Wiedergabe unter Anpassung an den Geist der eigenen Sprache. Grützmachers Hinweis auf die Verleugnung dieser Grundsätze im Streit mit Rufin wegen der Übersetzung von περὶ ἀρχῶν ist unsachlich (Gr. III 11). Hieronymus beanstandete ja gerade an dieser Übersetzung, daß an zahlreichen Stellen der Sinn des Originals mit Absicht verdunkelt wurde. ↩
Bardenhewer (III 301) rückt Johannes von Jerusalem in den Vordergrund. Mir will scheinen, daß für den Vorwurf der Fälschung Johannes und Rufin, besonders letzterer, für den Diebstahl Rufin allein verantwortlich gemacht wird. ↩
Ep. 57, 12; vgl. c. Ruf. III 4 (M PL XXIII 480); comm. in Nahum ad 3 (M PL XXV 1322); comm.. in Hab. praef. in I. II (ebd. 1369); ep. 125, 18 ad Rusticum mon. ↩
Ep. 57, 12. Vgl. c. Ruf. III 6 (M PL XXIII 482 f.). ↩
Ep. 57, 2. Vgl. c. Ruf. III 4. 23 (M PL XXIII 480. 496). ↩
Ep. 57, 2. ↩
