Vierter Artikel. Nicht zu Gott allein darf man beten.
a) Zu Gott allein müssen wir beten. Denn: I. Gott allein wird in der „Religion“ geehrt. Das Gebet aber ist nur ein Akt der „Religion“. II. Nur Gott allein kann das Gebet erkennen. Denn Er allein sieht in das Innere, wo vorzugsweise das Gebet sich vollendet, nach 1. Kor. 14. „Mit dem Geiste, mit dem Innern will ich beten.“ Zudem wissen die Verstorbenen und selbst die Heiligen nicht, was die Lebenden, ihre Kinde inbegriffen, thun; nach Augustin. (De cura pro mort. 13.) III. Weil die Heiligen mit Gott verbunden sind, beten wir zu ihnen. Viele auf Erden aber oder im Fegfeuer sind Gott durch die Gnade innig verbunden, zu denen wir nicht beten. Also sollen wir auch nicht zu de Heiligen beten. Auf der anderen Seite heißt es bei Job 5.: „Rufe, wenn jemand da ist, der da antworte; und wende dich zu einem der Heiligen.“
b) Ich antworte, man bete zu jemandem, entweder damit er selbst die Bitte erfülle oder damit er die Erfüllung befürworte. In der ersten Weise beten wir nur zu Gott, der allein Gnade und Herrlichkeit, den Zweck all unserer Gebete, verleihen kann, nach Ps. 83.: „Gnade und Herrlichkeit wird der Herr geben.“ In der zweiten Weise beten wir zu den heiligen Engeln und Menschen; nicht damit durch sie Gott unsere Gebete erkenne sondern auf daß kraft ihrer Fürbitte und Verdienste unsere Gebete ihr Wirkung erreichen. Deshalb heißt es Apok. 8.: „Es stieg auf der Rauch des Weihrauchs von den Gebeten der Heiligen durch die Hand des Engels vor Gott.“ So betet die Kirche zur heiligen Dreieinigkeit, daß sie unser sich erbarme; zu den Heiligen, daß sie für uns bitten.
c) I. Nur dem allein erweisen wir vermittelst des Gebetes einen Kult oder eine Verehrung, von welchem wir erlangen wollen, worum wir bitten; denn damit bekennen wir Ihn als den Urheber alles Guten. Nicht erweisen wir einen Kult jenen, die wir als Fürbitter gebrauchen. II. Die Verstorbenen wissen kraft natürlicher Kenntnis nicht das, was hier vor sich geht, und zumal nicht die inneren Herzensbewegungen. Den Seligen aber wird (Gregor. 12. moral. 14.) im göttlichen Worte offenbar, was zu kennen ihnen geziemt, soweit es auf das hier Vorsichgehende ankommt, auch die inneren Herzensbewegungen. Im höchsten Grade aber ziemt es sich, daß sie wissen, worum man zu ihnen im Herzen oder Worten fleht; sonach erkennen sie unsere Gebete, weil Gott sie ihnen offenbar macht. III. Die hier im irdischen Leben oder die im Fegfeuer sind, schauen noch nicht das göttliche Wort, daß sie in selbem erkennen könnten, was wir denken oder sagen. Deshalb stehen wir nicht im Gebete um deren Fürbitte, sondern die Lebenden bitten wir mit Worten.
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