Zehnter Artikel. Beten ist den vernünftig schließenden Kreaturen eigen.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Beten und empfangen kommt den nämlichen Personen zu. Der Sohn und der heilige Geist aber empfangen. Also beten sie auch. Dies bezeichnet der Herr, wenn Er sagt (Joh. 14.): „Ich werde den Vater bitten;“ und vom heiligen Geiste sagt der Apostel (Röm. 8.): „Der Geist fordert in uns.“ II. Die Engel schließen nicht von Einem auf das Andere; sie beten aber, nach Ps. 96, 8. III. Dem nämlichen kommt es zu, daß er bete, dem es zukommt, daß er Gott anruft. Die Tiere aber rufen Gott an, nach Ps. 146.: „Er giebt den Zugtieren ihre Speise und den Jungen der Raben, die Ihn anrufen.“ Auf der anderen Seite ist das Gebet eine Thätigkeit der Vernunft. Die vernünftig schließende Kreatur aber hat Vernunft.
b) Ich antworte, das Gebet sei ein Akt der Vernunft, wodurch jemand einen Höheren anfleht; sowie der Befehl ein Akt der Vernunft ist, wodurch das Niedere zu etwas hingelenkt wird. Dem also kommt es zu, daß er bete, der da Vernunft hat und einen Höheren über sich. Die drei göttlichen Personen nun erkennen keinen Höheren an; die Tiere aber haben keine Vernunft. Nur also die vernünftige Kreatur kann beten.
c) I. Die göttlichen Personen empfangen kraft ihrer Natur; beten aber ist Sache desjenigen, der da kraft der Gnade empfängt. Der „Sohn“ betet gemäß der angenommenen menschlichen Natur. Der heilige Geist „fordert“; weil Er bewirkt, daß wir fordern. II. Das rein vernünftige Verständnis und die Kraft zu schließen sind nicht verschiedene Vermögen in uns; sondern unterscheiden sich wie etwas vollkommenes vom Unvollkommenen. Bisweilen werden deshalb die in vernünftigen Kreaturen von den vernünftig schließenden unterschieden; bisweilen damit einbegriffen. Und in der letzten Weise ist Beten eigen den vernünftigen Kreaturen. III. Die Jungen der Raben rufen Gott an auf Grund ihres natürlichen Verlangens, kraft dessen Alles danach trachtet, an der göttlichen Güte Anteil zu haben. So gehorchen auch die Tiere wegen des natürlichen Instinktes, vermittelst dessen sie von Gott in Bewegung gesetzt werden.
