Sechster Artikel. Der Mensch kann Gott um zeitliche Güter anflehen.
a) Dies ist nicht erlaubt. Denn: I. Was wir erbitten, suchen wir. Wir sollen aber nicht nach Zeitlichem suchen, nach Matth. 6.: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; und dies Alles wird euch zugegeben werden.“ II. Worum wir beten, darum tragen wir Sorge. Um Zeitliches sollen wir aber keine Sorge tragen, nach Matth. 6.: „Seid nicht besorgt um euere Seele, was ihr essen werdet.“ III. Durch das Gebet soll unser Geist zu Gott sich erheben. Wenn er um Zeitliches bittet, steigt derselbe aber hinab, gegen die Worte Pauli (2. Kor. 4.): „Betrachten wir nicht, was gesehen wird, sondern das Unsichtbare; denn was gesehen wird, vergeht mit der Zeit, was aber nicht gesehen wird, ist ewig.“ IV. Manchmal ist das Zeitliche, worum wir bitten, uns schädlich, Nur aber um Nützliches sollen wir bitten. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 30.: „Teile mir nur den notwendigen Lebensunterhalt zu.“
b) Ich antworte, nach Augustin (ep. 130.) könne man darum beten, wonach man verlangen darf. Nach zeitlichen Dingen aber dürfen wir verlangen; freilich nicht als nach unserem Endzwecke, jedoch als Mittel, denselben zu erreichen, insoweit dadurch das leibliche Leben erhalten wird und die zeitlichen Dinge dazu helfen um Tugendwerke zu thun, nach Augustin l. c. (pp. ad Probam.)
c) I. Nicht an die maßgebende Stelle sind die zeitlichen Güter im Gebete zu setzen. Deshalb sagt Augustin (8. de serm. dom. 16): „Das Reich Gottes soll man zuerst suchen. Damit bezeichnete der Herr, wir sollen Zeitliches erst nachher, an zweiter Stelle, suchen; jenes als unser eigenstes Gut, dieses als etwas durch die Notwendigkeit Erheischtes.“ II. Die überflüssige und regellose Sorge um Zeitliches ist zu vermeiden. III. Wenn der Mensch seinen Geist auf Zeitliches richtet in Beziehung zur ewigen Seligkeit, so wird er dadurch nicht bedrückt, sondern gehoben. IV. Weil wir die zeitlichen Güter nur mit Beziehung auf das ewige Heil erbitten, so erbitten wir sie auch nur, soweit sie dazu nützlich sind.
