Dreizehnter Artikel. Die Aufmerksamkeit im Gebete.
a) Notwendigerweise muß das Gebet aufmerksam sein. Denn: I. Nach Joh. 4, 24. „sollen, die Gott anbeten, Ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten.“ Ist aber das Gebet nicht aufmerksam, so ist es nicht im Geiste. II. Das Gebet ist „das Aufsteigen des Geistes zu Gott“; was nicht statthat, wenn das Gebet nicht mit Aufmerksamkeit geschieht. III. Das Gebet muß ohne Sünde sein. Wer aber unaufmerksam betet, scheint Gottes zu spotten, wie wenn jemand mit einem anderen sprechen wollte und er gäbe nicht acht auf das, was er sagte; weshalb Basilius sagt (de constit Monaster. 1.): „Man soll den göttlichen Beistand nicht mit Nachlässigkeit und Zerstreutheit anrufen; denn ein solcher wird weder erlangen was er will noch wird dies geschehen, ohne Gott noch mehr zu er zürnen.“ Auf der anderen Seite kommt es auch bei heiligen Männern vor, daß sie im Gebete hie und da zerstreut sind, nach Ps. 39.: „Mein Herz hat mich verlassen.“
b) Ich antworte, betreffs des mündlichen Gebetes, wo ja hauptsächlich die berührte Frage Bedeutung hat, wird etwas als notwendig bezeichnet, entweder weil man dadurch besser zum Zwecke gelangt; und danach ist die Aufmerksamkeit schlechthin dem Gebete notwendig; — oder weil ohne das Betreffende ein Gebet nicht seine Wirkung erzielen kann. Nun giebt es eine dreifache Wirkung des Gebetes: 1. Es verdient bei Gott, wie alle in Liebe vollbrachten Werke; — und dazu ist es nicht notwendig, daß das ganze Gebet mit Aufmerksamkeit sich vollziehe; vielmehr macht die Kraft der im Beginne gemachten guten Absicht das ganze Gebet verdienstvoll, wie dies auch bei anderen verdienstlichen Werken der Fall ist. 2. Das Gebet will etwas erlangen; — und auch dazu genügt die im Beginne gemachte gute Absicht; ist diese nicht vorhanden, so ist das Gebet weder verdienstlich noch erlangt es etwas, da „Gott jenen nicht hört, der ohne Absicht betet.“ (Gregor. 22. moral. 13.) 3. Das Gebet erquickt den Geist; — und dazu ist die Aufmerksamkeit erfordert, nach 1. Kor. 14.: „Bete ich mit der Zunge, so ist mein Geist ohne Frucht.“ Nun giebt es hier eine dreifache Aufmerksamkeit: 1. giebt man auf den Laut der Worte acht, daß man sich nicht täusche; — 2. auf den Sinn der Worte; — 3. auf den Endzweck des Gebetes, nämlich auf Gott und die Sache, um die man bittet. Letztere nun ist im höchsten Grade notwendig und die einfachsten Leute können sie haben; und sie ist manchmal in solchem Übermaße vorhanden, daß der Geist, zu seinem Gotte hingetragen, alles übrigen vergißt, wie Hugo von St. Viktor sagt. (De modo orationis.)
c) I. „Im Geiste und in der Wahrheit“ will heißen, man solle vom heiligen Geiste getrieben, also mit guter Absicht, zum Gebete hinzutreten; wenn auch nachher der Geist in etwa sich zerstreut. II. Wegen des Gewichtes seiner Schwäche kann der Geist nicht lange auf der Höhe stehen bleiben; er sinkt bald wieder. Wenn also der Geist aufsteigt zu Gott durch die Betrachtung, so geschieht es nur zu häufig, daß er auf einmal sich zerstreut. III. Wer absichtlicherweise im Gebete sich zerstreut, der sündigt. Deshalb sagt Augustin in der „Regel“: „Wenn ihr in Psalmen und Gesängen betet, so sei das im Herzen, was der Mund ausspricht.“ Die Zerstreuung des Geistes, welche absichtslos ist, nimmt die Frucht nicht fort. Darum fügt Basilius hinzu: „Wenn du aber, geschwächt durch die Sünde, nicht mit unverrückbarer Aufmerksamkeit zu beten vermagst, so lege dir selbst einen Zügel an; und Gott verzeiht, weil du bloß aus Schwäche, nicht aus Nachlässigkeit, nicht Ihn preisen kannst, wie es sich geziemt.“
